#8 VEGAN & NACHHALTIGKEIT mit Anna-Lena Klapp
Shownotes
Wer sich vegan ernährt, lebt nachhaltig – so denken viele. Und die Umwelt-Aspekte sind für viele Veganer:innen ein wichtiges Kriterium bei ihrer Entscheidung für eine rein pflanzliche Kost. Doch ist vegan immer gleich nachhaltig? Fakt ist, dass durch den Verzicht auf tierische Produkte landwirtschaftliche Klima-Emissionen deutlich gesenkt werden können. Allerdings sind nicht alle veganen Lebensmittel umweltschonend. Welche pflanzlichen Nahrungsmittel im Hinblick auf Nachhaltigkeit kritisch sind und welche 5 Kriterien man beachten sollte, um sich nicht nur vegan, sondern auch nachhaltig zu ernähren, erklärt Anna-Lena Klapp von ProVeg im Gespräch mit unserer STUDIO-VEGAN-Moderatorin Sanja Middeldorf.
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00: 00:01Sprecher: Willkommen bei Studio Vegan. Ein Podcast der BKK ProVita.
00: 00:06Anna-Lena Klapp: Für ein Kilogramm Avocado wird im Schnitt 1.100 Liter Wasser benötigt, für ein Kilogramm Getreide 1.600 Liter Wasser und für ein Kilogramm Rindfleisch sind es 15.000 Liter Wasser.
00: 00:20Anna-Lena Klapp: Abfälle aus der Nutztierhaltung, wie zum Beispiel Gülle oder auch Antibiotika, aber auch Wachstumsförderer und Hormone gelangen in die Ökosysteme und unsere Trinkwasserquellen.
00: 00:32Anna-Lena Klapp: Da ist die vegane Ernährung auf jeden Fall echt eine richtig gute nachhaltige Ernährung.
00: 00:38Sanja Middeldorf: Hi, ich bin Sanja und ich spreche heute mit Anna-Lena Klapp. Sie ist Ernährungswissenschaftlerin und Doktorandin der Agrarwissenschaften. Sie arbeitet als Fach-Referentin für Ernährung und Gesundheit bei ProVeg International in Berlin und unterrichtet seit 2017 als Hochschuldozentin das Fach Nachhaltige Ernährung. Hallo, Anna-Lena. Schön, dass du da bist.
00: 00:59Anna-Lena Klapp: Ja, Hallo.
00: 01:00Sanja Middeldorf: Genau. Wir beide sprechen ja heute über vegan und Nachhaltigkeit. Und ich würde sagen, wir starten direkt rein. Ich habe auch schon die erste Frage für dich vorbereitet. Vielleicht kannst du einmal kurz erklären, was nachhaltige Ernährung überhaupt bedeutet.
00: 01:12Anna-Lena Klapp: Ja, sehr gern. Also wer sich schon mal so ein bisschen mit dem Thema nachhaltige Ernährung auseinandergesetzt hat, wird sicher festgestellt haben, dass in den Medien dazu sehr unterschiedliche Aussagen und Behauptungen kursieren. Und was mir dabei auch immer auffällt ist, dass das Thema Nachhaltigkeit meistens nur an den Umweltaspekten diskutiert wird, also so was wie Treibhausgas-Emissionen, Wasserverbrauch oder manchmal auch der Flächenverbrauch. Aber Nachhaltigkeit oder nachhaltige Ernährung ist eigentlich viel mehr als das. Und dafür habe ich mal die Definition der Welternährungsorganisation mitgebracht, die ich einmal ganz kurz zitieren möchte. Ist auch nicht lang. Und zwar: „Nachhaltige Ernährungsweisen haben geringe Auswirkungen auf die Umwelt, tragen zur Lebensmittel- und Ernährungssicherung bei und ermöglichen heutigen und zukünftigen Generationen ein gesundes Leben. Sie schützen und respektieren die biologische Vielfalt und die Ökosysteme. Sie sind kulturell angepasst, verfügbar, ökonomisch gerecht und bezahlbar, ernährungsphysiologisch angemessen, sicher und gesund und verbessern gleichzeitig die natürlichen und menschlichen Lebensgrundlagen.“ Ja, und da sieht man schon mal ganz gut, dass beim Thema Nachhaltigkeit viele unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden müssen oder sollten. Es ist im Grunde einfach ein mehrdimensionales Konzept. Man spricht auch von fünf Dimensionen, nämlich Gesundheit, Umwelt, Gesellschaft bzw. Soziales, Wirtschaft und die Kultur.
00: 02:48Sanja Middeldorf: Das sind ja echt viele Aspekte, und es gibt ja auch super viele unterschiedliche Ernährungsformen. Wenn man jetzt aber von Nachhaltigkeit spricht, dann kommt man ja auch oft auf die vegane Ernährungsweise. Was würdest du denn sagen? Inwiefern hängen denn vegan und Nachhaltigkeit zusammen?
00: 03:03Anna-Lena Klapp: Also so eine der mit Abstand effektivsten Wege, seine Ernährung nachhaltiger zu gestalten, ist es tatsächlich, den Konsum tierischer Produkte zu reduzieren. Deshalb ist eben auch im Kontext der veganen Ernährung so oft von Nachhaltigkeit die Rede. Also völlig zu Recht. Die Produktion tierischer Lebensmittel ist ein wesentlicher Treiber des Klimawandels und extrem ressourcenintensiv. Also zahlreiche Studien bestätigen, dass eine pflanzenbasierte Ernährung mit wenigen oder keinen tierischen Produkten deutlich weniger Treibhausgase verursacht und deutlich weniger Landfläche in Anspruch nimmt. Hinzu kommt, dass die Nutztierhaltung eben auch ein treibender Faktor bei der Verschmutzung unserer Süßwasserressourcen ist. Also Abfälle aus der Nutztierhaltung, wie zum Beispiel Gülle oder auch Antibiotika, aber auch Wachstumsförderer und Hormone gelangen in die Ökosysteme und unsere Trinkwasserquellen. Und daher stuft auch die Welternährungsorganisation, die ich eben schon einmal zitiert hatte, die Produktion tierischer Lebensmittel als einen der zentralen Mitverursacher der Verschlechterung der Wasserqualität ein, und zwar auf allen Ebenen, also sowohl lokal als auch global. Und deshalb ist es so wichtig, dass der Konsum und damit auch die Produktion tierischer Lebensmittel drastisch sinkt. Und ja, da leisten eben vegan lebende Menschen aktuell schon einen riesigen Beitrag, indem sie auch in gewisser Weise das ausgleichen, was vielleicht andere bisher noch nicht geschafft haben.
00: 04:35Sanja Middeldorf: Und ist es denn so, dass jetzt eine vegane Ernährung in diesen fünf Bereichen, die du angesprochen hast, also punktet die da wirklich auch gut und ist das so – kannn man sagen, dass die vegane Ernährung tatsächlich auch die nachhaltigste Ernährungsweise ist?
00: 04:47Anna-Lena Klapp: Das kann man so pauschal leider nicht sagen. Auch eine Ernährung mit geringen Mengen tierischer Lebensmittel kann nachhaltig sein. Und gleichzeitig gibt es auch bei einer veganen Ernährung Aspekte, auf die man einfach achten sollte, damit das Ganze nachhaltig bleibt. Also das ist einfach wichtig zu erwähnen. Mit der veganen Ernährung kann man schon echt viel, ich sag mal reißen. Und ich selbst lebe auch aus diesen Gründen schon seit vielen, vielen Jahren vegan. Aber natürlich, auch hier muss man da ganz ehrlich und differenziert draufschauen. Und wenn ich zum Beispiel auch sage gering, bzw. wenn ich von geringen Mengen tierischer Lebensmittel spreche, dann meine ich auch wirklich eine drastische Reduktion. Also wir müssen gesamtgesellschaftlich den Konsum tierischer Lebensmittel senken, und das empfiehlt eben auch die Weltgesundheitsorganisation, die Welternährungsorganisation und auch der Weltklimarat. Also alle kommen zu dem Schluss, dass unsere Nahrungsmittelauswahl der Umwelt und auch unserer Gesundheit zuliebe eben deutlich pflanzlicher sein sollte.
00: 05:50Sanja Middeldorf: Aber wenn ich jetzt zum Beispiel statt einer geringen Menge Fleisch gar kein Fleisch oder gar keine tierischen Produkte zu mir nehme, kann man dann per se sagen, dass es trotzdem eine nachhaltigere Ernährungsweise ist? Oder kommt das dann auf ganz viele unterschiedliche Komponenten an?
00: 06:03Anna-Lena Klapp: Es kommt tatsächlich auch immer auf unterschiedliche Komponenten an, also das ist auch tatsächlich von Region zu Region unterschiedlich. Wenn man zum Beispiel in einer Region lebt, wo man viel importieren muss bei gewissen Lebensmitteln, wo man darauf angewiesen ist, dann kommt da auch wieder der CO2-Fußabdruck drauf. Also global oder ich sage mal so der Durchschnitt, da ist die vegane Ernährung auf jeden Fall echt eine richtig gute, nachhaltige Ernährung. Aber wie gesagt, man kann es nicht per se sagen, weil es – auch mit geringen Mengen tierischen Lebensmitteln durchaus kann man das Ganze nachhaltig gestalten.
00: 06:42Sanja Middeldorf: Und es kommt ja auch so ein bisschen darauf an, wie man sich vegan ernährt, oder wenn man jetzt dieses klassische Beispiel (nimmt), wenn man jetzt jede Woche drei Avocados ist, dann zahlt das ja auch auf das Klima-Konto ein, oder?
00: 06:55Anna-Lena Klapp: Also absolut. Die Avocado ist da ein sehr gutes Beispiel. Durch diese gestiegene Nachfrage wurden Avocado-Plantagen in den letzten Jahren deutlich vergrößert, was zum Teil eben auch zu illegaler Waldrodung und erhöhten Treibhausgasemissionen geführt hat. Außerdem werden ja auch die schlechten Arbeitsbedingungen im Kontext des Avocado-Anbaus immer wieder zu Recht kritisiert. Und natürlich auch der hohe Wasserverbrauch. Wobei das durchaus ein bisschen erklärungsbedürftig ist. Schaut man sich nämlich den Wasserverbrauch im Vergleich zu anderen Lebensmitteln an – ich kann hier einfach mal so ein paar Zahlen nennen: Also für ein Kilogramm Avocado wird im Schnitt 1.100 Liter Wasser benötigt, was schon sehr viel ist. Für ein Kilogramm Getreide sind es aber schon 1.600 Liter Wasser, für ein Kilogramm Hülsenfrüchte sind es 4.000 Liter Wasser, und für ein Kilogramm Rindfleisch sind es 15.000 Liter Wasser. Also das ist schon deutlich mehr. Aber auch hier ist es eben ein bisschen erklärungsbedürftig. Zwar benötigen die meisten Obst- und Gemüsesorten deutlich weniger Wasser, und die Avocado benötigt eben auch weniger Wasser. Aber es liegt so ein bisschen – das Problem liegt in den Anbaugebieten. Also der Anbau der Avocado erfolgt in Mexiko, Chile und Peru. Und in diesen Ländern fehlt es eben an Wasser. Und durch diesen gestiegenen Avocado-Anbau hat sich die Lage in den Ländern in den letzten Jahren wirklich dramatisch verschlechtert, und viele Brunnen in den Gemeinden in der Nähe von Avocado-Plantagen sind ausgetrocknet. Und besonders prekär ist da die Lage auch in Chile, denn hier wurde die Wasserversorgung privatisiert und das führt dazu, dass eben die Unternehmen das Wasser vornehmlich für den Anbau von landwirtschaftlichen Produkten wie eben der Avocado nutzen und die Menschen vor Ort da wirklich unter Wassernot leiden. Und das ist eben auch so ein riesiges Problem. Während man vielleicht beim Getreideanbau oder auch in der Anbaukette von Fleisch durchaus auch Regenwasser nutzen kann, muss bei der Avocado eben ganz viel zusätzlich bewässert werden. Deshalb ist es eben so wichtig, dass wir da weniger essen. Aber auch da finde ich es wichtig zu erwähnen, weil Avocado wird irgendwie immer mit veganer Ernährung in Verbindung gebracht und das finde ich ....
00: 09:18Sanja Middeldorf: Genau!
00: 09:18Anna-Lena Klapp: … und das finde ich eigentlich ein bisschen komisch, weil wenn man sich da auch die Statistiken anschaut: Allein in Amerika ist der Konsum von Avocados in den letzten 20 Jahren um 440 % gestiegen. Und zwar nicht, weil so ein paar Veganer sich gedacht habe, ich esse jetzt mal öfter Avocado aufs Toastbrot. Also die Avocado ist kein alleiniger....
00: 09:40Sanja Middeldorf: Es ist einfach ein Trend.
00: 09:42Anna-Lena Klapp: Ganz genau. Avocado ist kein alleiniger Vegan-Trend. Es ist allgemein ein Trend-Food, wird von vielen Menschen konsumiert und deshalb finde ich es auch fatal, wenn wir das immer nur so an vegan lebende Menschen adressieren. Wir müssen wirklich alle, egal wie wir uns ernähren, wir müssen weniger Avocados konsumieren – und wenn wir sie schon kaufen, dann sollten wir Früchte aus Israel oder Spanien mit einem EU-Biosiegel kaufen.
00: 10:08Sanja Middeldorf: Interessant, das ist ja schon mal so ein kleiner Live-Hack für das nächste Mal, wenn man mal vielleicht überlegt, eine Avocado zu kaufen. Aber das sind ja auch alles so Sachen, die muss man auch erst mal wissen. Also ich muss sagen, ich wusste das auch eine lange Zeit nicht, dass es wirklich so, ich sage mal „schlecht fürs Klima“ ist. Wenn wir gerade sowieso bei diesen „Klimasünden“ sind, sage ich jetzt mal, gibt es denn noch so andere vegane Lebensmittel, die wirklich nicht so gut fürs Klima sind, wo man das nicht unbedingt weiß? Hast du da eine Idee?
00: 10:40Anna-Lena Klapp: Also da würde ich tatsächlich an der Stelle voll gern auf das Thema Lebensmittelverschwendung eingehen, weil ich habe das Gefühl, dass das viele noch nicht so auf dem Schirm haben. Und zwar: Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass weltweit rund 1/3 der für den menschlichen Verbrauch produzierten Lebensmittel weggeworfen werden und die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher – und ich glaube, auch viele vegan lebende Menschen - denken, dass sie sehr sorgsam mit Lebensmitteln umgehen und dass der größte Teil der Lebensmittel im Supermarkt oder in der Industrie verloren geht. Dabei fällt tatsächlich der größte Anteil von Lebensmittel-Abfällen in privaten Haushalten an. Wir werfen nicht in erster Linie tatsächlich Verdorbenes weg, sondern Produkte, die uns vielleicht nicht mehr gut und appetitlich genug erscheinen. Und das betrifft vor allem Obst und Gemüse. Also welker Salat, schrumpelige Möhren oder Äpfel mit Druckstellen. Also so alles, was man eigentlich für eine gesunde pflanzenbasierte Ernährung braucht, wird bei falscher Lagerung schnell unansehnlich und landet dann in der Tonne. Und Obst und Gemüse macht tatsächlich fast die Hälfte aller Lebensmittel-Abfälle aus. Und danach folgen Back- und Teigwaren, also oftmals auch so Brot, was vielleicht ein bisschen trocken geworden ist, womit man aber durchaus auch noch viel machen kann. Genau. Und ich denke, wir müssen uns klarmachen, dass jedes Lebensmittel für seine Herstellung eben kostbare Ressourcen benötigt. Und die globale Lebensmittelproduktion würde tatsächlich ausreichen theoretisch, um alle Menschen satt zu bekommen. Und ich erwähne das Thema deshalb auch so gerne gegenüber vegan lebenden Menschen, weil zum Beispiel ist es wichtig, ein Bewusstsein dafür zu haben, dass wir bei einer falschen Essenslieferung oder einem vielleicht nicht veganen Geschenk immer eine nachhaltige Lösung finden sollten, anstatt das Lebensmittel wegzuwerfen.
00: 12:33Sanja Middeldorf: Also quasi weiter verschenken, oder?
00: 12:36Anna-Lena Klapp: Genau, weiter verschenken. Oder vielleicht auch überlegen, wo sind meine Grenzen? Also ich persönlich lebe zwar seit 13 Jahren jetzt vegan, aber wenn ich zum Beispiel ein Essen bestelle und da ist dann irgendwie doch auf dem Salat ein bisschen Käse oder da ist ein Joghurt-Dressing, dann, wenn ich jetzt nicht irgendwie das gerade jemand anderem geben kann, dann würde ich es jetzt in dem Fall essen, bevor es irgendwie weggeschmissen wird. Bei Fleisch muss ich aber auch ganz klar sagen: würde ich nicht runterbekommen. Also da wird es dann bei mir auch schwierig. Also ich kann das absolut verstehen, wenn man da irgendwie sagt, nein, das das möchte ich einfach nicht. Nichtsdestotrotz einfach versuchen. Vielleicht kann man es einem Familienmitglied geben oder der Mitbewohnerin. Genau. Also irgendwie glaube ich, sollte man zumindest versuchen, eine nachhaltige Lösung zu finden.
00: 13:25Sanja Middeldorf: Hm, spannender Gedanke. Da habe ich noch gar nicht so drüber nachgedacht. Ich hatte ja auch eben in der Frage so gesagt: Gibt es vegane Lebensmittel? Aber dann sind es halt wirklich eher so Obst und Gemüse, wo man halt wirklich sagen muss, okay, die haben halt auch ihre Ressourcen verbraucht und wenn ich die wegschmeiße, dann trage ich echt ein großes Stückchen dazu bei, dass es irgendwie wirklich verschwendet wird.
00: 13:49Anna-Lena Klapp: Richtig. Und deshalb (ist es wichtig,) sich auch mit guten Lagermöglichkeiten auseinander(zu)setzen. Also zum Beispiel: Es gibt diese Kampagne vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, die heißt „zu gut für die Tonne“, das wird vom Bundesministerium einfach bereitgestellt. Ist eine total gute Informationsquelle, wo man Lagertipps bekommt, wo man auch Rezepte für die Resteverwertung findet. Also das ist alles kostenlos zugänglich. Das empfehle ich immer ganz gerne für das Thema.
00: 14:21Sanja Middeldorf: Okay, also man muss sich einfach ein bisschen vielleicht mit dem Thema mal auseinandersetzen.
00: 14:24Anna-Lena Klapp: Genau. Genau.
00: 14:26Sanja Middeldorf: Hm, wir waren ja jetzt gerade bei Obst und Gemüse, aber ich würde gerne noch mal zurück auf die tierischen Produkte gehen. Vielleicht könntest Du noch mal erklären, warum es wirklich nachhaltig ist, vor allem auf diese tierischen Produkte zu verzichten. Also da spricht man ja oft irgendwie von der Tierhaltung, von den Futtermitteln. Vielleicht kannst du da noch mal genauer drauf eingehen.
00: 14:43Anna-Lena Klapp: Sehr gerne. Also was die aktuelle Studienlage durchaus zeigt, ist, dass das größte Einsparpotenzial von Treibhausgasen bei einer veganen Ernährung liegt. Das kann man tatsächlich so sagen und da möchte ich auch gerne auf eine aktuelle Studie der Oxford University hinweisen, die zu dem Ergebnis gekommen ist, dass allein die Halbierung des Konsums tierischer Produkte könnte die weltweiten Treibhausgasemissionen um 20 % senken. Da steckt wirklich sehr großes Potenzial drin. Und die Nutztierhaltung setzt eben nicht nur selbst enorme Mengen an Treibhausgasen frei. Durch die Abholzung des Regenwaldes für Weideflächen oder Futtermittel kommen eben auch noch sogenannte indirekte Emissionen hinzu. Also der Regenwald ist eben ganz entscheidend für unser Klima, weil er CO2 aufnimmt und wie eine Art Puffer für klimaschädliche Gase wirkt. Und das haben wir ja vielleicht alle irgendwann mal im Biologieunterricht gelernt. Pflanzen nehmen CO2 auf und wandeln das in Sauerstoff um, was wir dann wiederum atmen können. Und der Regenwald macht das Ganze quasi im großen Stil und ist deshalb eben so entscheidend für die Regulierung des Weltklimas und der Wetterzyklen. Und ja, dennoch sind bereits große Teile gerodet worden und weitere Gebiete stehen vor der gleichen Bedrohung, um die hohe Nachfrage nach Fleisch und anderen tierischen Produkten zu decken. Und ja, dadurch wird eben die Klima-Belastung noch zusätzlich verschärft. Und, last but not least, du hast es ja eben schon erwähnt: Der Anbau der Futtermittel erfolgt meistens in Monokulturen ohne Fruchtfolge, und diese Anbaumethode ist eben ziemlich schädlich für die Böden und wirkt sich negativ auf die Artenvielfalt aus.
00: 16:19Sanja Middeldorf: Vielleicht kannst du für die Hörer:innen einmal kurz erklären, was Monokulturen sind. Ich bin mir nicht sicher, ob das jede und jeder weiß.
00: 16:25Anna-Lena Klapp: Monokulturen kann man sich im Prinzip so vorstellen, dass auf einem bestimmten Fleckchen Land immer wieder dieselbe Frucht oder dasselbe Getreide angebaut wird. Deshalb „mono“, also eins, immer wieder dasselbe. Es erfolgt keine Fruchtfolge, also kein Wechsel. Und deshalb wird der Boden ziemlich ausgelaugt. Wenn immer wieder dasselbe Jahr für Jahr auf dem Boden angebaut wird, entzieht das ganz viele Nährstoffe, und gleichzeitig kann der Boden oder können die Pflanzen sich nicht selber gut regulieren, weil immer dasselbe dort stattfindet. Durch die Fruchtfolge, also wenn mehrere verschiedene Getreide oder Fruchtfolgen dort angebaut werden, kann sich das Ganze einfach so ein bisschen selber regulieren, wie es ja auch in der Natur wäre. In der Natur ist es ja einfach nicht so, dass immer dasselbe wächst, sondern das ist ja meistens eine bunte Mischung, und da kann die Natur sich meistens ziemlich gut selber regulieren und auch gegen Schädlinge schützen. Und bei Monokulturen schafft sie das einfach nicht mehr. Deshalb muss dann auch Pestizid-Einsatz erfolgen und es muss auch künstlich gedüngt werden. Und so weiter und so fort.
00: 17:36Sanja Middeldorf: Hm. Du hast ja gerade auch schon vom Regenwald in Brasilien gesprochen und dass es deswegen nachhaltiger wäre, auf tierische Produkte zu verzichten. Hast du vielleicht auch so ein Beispiel jetzt in Deutschland? Vielleicht, wenn es um Massentierhaltung geht oder so – ich finde, das ist immer noch so ein bisschen greifbarer. Woran man sieht: Okay, es ist wirklich besser, diese tierischen Produkte wegzulassen.
00: 17:58Anna-Lena Klapp: Ja. Also zum Beispiel in Deutschland gibt es ja insbesondere in Niedersachsen sehr viele Massentierhaltungs-Anlagen, und da schlägt sich das zum Beispiel auch in der Trinkwasserversorgung nieder. Beziehungsweise haben wir da sehr hohe Nitrat-Werte im Trinkwasser. Die Böden sind eigentlich übersäuert. Also schon da kann man da sehr gut dran erkennen, dass das eben alles andere als gut für unsere Umwelt und für die Flächen ist.
00: 18:28Sanja Middeldorf: Und wenn man jetzt so generell über Nachhaltigkeit spricht, stößt man ja sehr oft auch auf den Begriff „Planetary Health Diet“. Kannst du vielleicht dazu etwas sagen? Was ist das genau? Und ist man da schon ganz gut aufgestellt, wenn man sich sowieso vegan ernährt?
00: 18:43Anna-Lena Klapp: Ja, die Planetary Health Diet setzt ja vorrangig auf Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Obst, Gemüse, Nüsse und Samen und enthält gleichzeitig nur wenige hoch verarbeitete Produkte und auch nur wenige bis gar keine tierische Produkte. Vor ein paar Jahren wurde dieses Konzept vorgestellt. Das haben mehrere, ich glaube 35, wirklich sehr international renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgearbeitet und präsentiert in einem international anerkannten Journal. Und was ich bei der Planetary Health Diet auch so revolutionär finde – man muss es ja wirklich so sagen –, dass sie eben auch wirklich die vegane Ernährung mit einschließt. Also die Empfehlungen zu Fleisch lauten zum Beispiel null bis maximal rund 90 Gramm pro Tag, oder für Kuhmilch und Kuhmilchprodukte null bis maximal rund 500 Gramm pro Tag. Und das unterscheidet sie ja wirklich von vielen anderen offiziellen Ernährungsempfehlungen. Denn diese Null signalisiert uns ja ganz deutlich: Es geht auch ohne tierische Produkte! Und das auch noch mal so bestätigt zu bekommen von einem renommierten internationalen Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das hat wirklich diesem ganzen Thema auch noch mal so den Rücken gestärkt. Genau, und deshalb kann man einfach auch vegan leben und auch nach der Planetary Health Diet leben. Also es ist beides total wunderbar miteinander kombinierbar und ProVeg hat passend dazu auch ganz aktuell eine Kampagne, nämlich die „Planetary Health Mensa“, ins Leben gerufen, bei der Studierendenwerke für das Konzept gewürdigt werden, eine gesunde pflanzenbasierte Verpflegung anzubieten, die gleichzeitig den Planeten schützt. Weil das ist so ganz zentral bei diesem Konzept der Planetary Health Diet: Es soll nicht nur eine gesunde Ernährung ermöglichen, es soll auch einen gesunden Planeten ermöglichen. Und diese Mensen, die wir da auszeichnen, sollen natürlich auch der Gastronomie branchenweit als Inspiration dienen und können ganz wunderbare Best Practice Beispiele sein.
00: 20:47Sanja Middeldorf: Ach cool, das ist echt ein cooles Projekt. Ja, wie ist es denn? Also nur noch mal zum Verständnis auch für Hörer:innen. Es ist schon so, dass die Planetary Health Diet Fleisch in Betracht zieht, sag ich mal, aber diese vegane Ernährungsweise unterstützt, weil eben diese Null da ist.
00: 21:03Anna-Lena Klapp: Genau. Also die Planetary Health Diet beinhaltet eben auch Fleisch. Wie gesagt, sie sagen eben null bis maximal 90 Gramm pro Tag, so in etwa. Sie unterteilen das auch noch mal in rotes Fleisch und Fisch und Geflügel und so weiter. Das habe ich jetzt zusammengerechnet an der Stelle. Sie ermöglichen es eben aber auch quasi vegan sich danach zu richten. Und das ist halt wirklich eine Besonderheit, weil viele Ernährungsorganisationen bisher so ein bisschen, ich sage mal konservativ, waren und gesagt haben: Nee, also so kleine Mengen müssen schon sein. Also zum Beispiel in Deutschland die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die ist ja da noch so ein bisschen ... ja, nicht so ganz begeistert von der veganen Ernährung. Die haben sich ja durchaus in den letzten Jahren auch geöffnet, das muss man ja auch sagen. Also so ganz ablehnend wie früher sind sie nicht mehr. Sie könnten aber durchaus noch ein bisschen progressiver werden. Und das ist aber bei der Planetary Health Diet auf jeden Fall der Fall. Sie sagen, es ist beides möglich.
00: 22:06Sanja Middeldorf: Cool. Okay, ich werde noch mal einen Schritt zurückgehen bzw. zu dem Thema springen, wo wir eben schon mal waren. Und da haben wir ja gesagt: Okay. Also wenn man vegan lebt, heißt das nicht unbedingt, dass man auch sich nachhaltig ernährt, weil es kommt immer darauf an, wo man lebt, was man isst, was man nicht isst. Und deswegen finde ich es immer super schwer, selbst zu beurteilen, ob man überhaupt sich nachhaltig ernährt. Also, woher weiß ich denn, ob ich mich nachhaltig ernähre? Wie kann ich das einschätzen und woher weiß ich auch, ob da irgendwie noch Luft nach oben ist?
00: 22:40Anna-Lena Klapp: Also ich würde ganz grundsätzlich erst mal sagen, es steht fest, je pflanzlicher unsere Nahrungsmittelauswahl ist, desto nachhaltiger ist unsere Ernährung. Das ist einfach schon mal eine gute Regel, nach der man sich richten kann. Und deshalb tun vegan lebende Menschen da auch schon wirklich viel. Aber auch hier müssen natürlich einfach so kritische Food-Trends beachtet werden, wie wir eben schon mit der Avocado angesprochen haben. Oder auch das Thema Lebensmittelverschwendung. Ganz wichtig finde ich, ist es, wenn wir darüber sprechen, zu sagen, dass es nicht um Perfektionismus geht. Also wir sollten weder von uns selbst noch von anderen Perfektionismus verlangen. Und da gibt es diesen wirklich schönen Satz, den ich sehr treffend finde: Wir brauchen keine Handvoll Menschen, die sich perfekt nachhaltig ernähren. Wir brauchen Millionen Menschen, die nachhaltige Ernährung irgendwie unperfekt machen. Und vielleicht so fünf zentrale Aspekte, die ich noch mal so mit auf den Weg geben kann, ist einfach: Erstens versuchen, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Da kann man schon ganz viel machen, wenn man sich anschaut, wie man die eigenen Lebensmittel zu Hause lagert. Da habe ich ja eben schon empfohlen „Zu gut für die Tonne“, kann man mal reinschauen. Versuchen, saisonale und regionale Lebensmittel zu konsumieren – das ist tatsächlich auch im Großen und Ganzen günstiger. Also wenn man schaut, was gerade Saison hat, spart man in der Regel auch Geld. Bevorzugt biologische und Fairtrade-Produkte kaufen. Das ist natürlich leider schon wieder ein bisschen teurer. Das heißt, wenn man das aus finanziellen Gründen einfach nicht machen kann – wie gesagt, es braucht keinen Perfektionismus, es gibt viele andere tolle Wege, sich nachhaltig zu ernähren – was man noch machen kann: Viertens Fertigprodukte und sogenanntes Convenience Food eher vermeiden und eher frisch und selbst gekochte Speisen bevorzugen. Dadurch reduziert sich nicht nur der Verpackungsmüll, sondern auch diese ganzen Verarbeitungsschritte, die ja auch CO2 emittieren und Ressourcen verbrauchen, fallen dadurch weg. Und fünftens ganz klar: Konsum tierischer Lebensmittel reduzieren und umsteigen auf eine deutlich pflanzenbetontere Ernährung. Und wer da jetzt vielleicht von den Zuhörerinnen und Zuhörern noch nicht so weit ist Wir bieten bei ProVeg auch die „Veggie Challenge“ an, das ist so ein kostenloses 30-tägiges Programm, bei dem man sich anmelden kann, wo man dann eben auch zahlreiche Informationen, Tipps und auch Rezepte bekommt. Und da kann man das einfach mal ausprobieren.
00: 25:09Sanja Middeldorf: Sehr cool. Also kann man quasi sich diese fünf Punkte mal vornehmen und so eine, ich sage mal, so eine Bestandsaufnahme machen: Wie mache ich das gerade? Kann ich da vielleicht noch ein bisschen mehr drauf achten? Man weiß ja zum Beispiel, schmeiße ich oft was weg? Kaufe ich vielleicht zu viel ein? Dann weiß man schon, ob da vielleicht noch mehr geht.
00: 25:27Anna-Lena Klapp: Genau, das würde ich so empfehlen. Richtig.
00: 25:30Sanja Middeldorf: Das sind ja jetzt so eher so ein paar gröbere Punkte gewesen. Hast du denn so ein paar Tipps für den Alltag, wie ich jetzt meine Ernährung nachhaltig gestalten kann?
00: 25:40Anna-Lena Klapp: Also ergänzend zu den Punkten, die ich eben schon genannt habe, gibt es zum Beispiel auch die Möglichkeit, Mitglied in einer solidarischen Landwirtschaft zu werden, der sogenannten SoLaWi. Da umgeht man quasi den Supermarkt und bezieht direkt von den Landwirtinnen und Landwirten sein Obst und Gemüse, manchmal auch andere Produkte. Und das ist eben eine besonders schöne und wirklich auch nachhaltige Sache, weil – das deutet schon so ein bisschen das Wort „solidarisch“ an – man ist wirklich solidarisch mit den Bäuerinnen und Bauern und trägt die Ernteerträge mit. Aber wenn zum Beispiel auch mal eine Ernte ausfällt, trägt man das eben auch mit. Und das ermöglicht den Landwirtinnen und Landwirten eine viel, viel bessere Planung, und sie müssen dann eben weder sich selbst noch die Natur ausbeuten. Und man bekommt da auch wirklich – also ich war auch mal eine Zeit lang in einer SoLaWi drin – man bekommt da wirklich richtig, richtig gute Produkte. Das Ganze gibt es mittlerweile auch mit biozyklisch veganer Landwirtschaft. Also wenn man zum Beispiel hier in Berlin oder in Brandenburg lebt, da gibt es eine, gibt es aber auch in anderen Städten oder Regionen. Kann man einfach mal googeln. Da findet man auf jeden Fall so ein Verzeichnis für solidarische Landwirtschaft. Aktuell haben wir oder habe ich mit meinen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern einen eigenen Garten. Das ist natürlich auch eine Möglichkeit. Aber diese Möglichkeit hat natürlich nicht jeder. Aber das wäre noch so vielleicht ergänzend zu dem Thema „regionales und saisonales Obst und Gemüse bevorzugen“.
00: 27:11Sanja Middeldorf: Richtig nice Tipps. Ich glaube, da können die Hörerinnen und Hörer auch ein bisschen was mitnehmen. Und auch vielen Dank für diese spannenden Zahlen. Ich finde das auch echt super spannend mit den Avocados. Also da kann man sich das anhören und sich noch mal ein eigenes Bild drüber machen. Vielen Dank für deine Zeit.
00: 27:26Anna-Lena Klapp: Sehr gerne.
00: 27:27Sanja Middeldorf: Du hast eine Frage rund um das Thema Vegan? Dann schick uns gerne eine Sprachnachricht per WhatsApp an die 0157 31 83 07 53. Die Nummer findest du natürlich auch in den Shownotes. Wir hören uns dann beim nächsten Mal.
00: 27:41Sprecher: Das war STUDIO VEGAN, ein Podcast der BKK ProVita – Deutschlands erste veggiefreundliche und nachhaltige Krankenkasse.
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