#3 KRITISCHE NÄHRSTOFFE mit Dr. Markus Keller
Shownotes
Kritische Nährstoffe: Wer sich vegan ernährt oder plant, auf tierische Produkte zu verzichten, hat diesen Begriff bestimmt schon gehört. Doch was genau sind kritische Nähstoffe? Wie können Veganer:innen sicherstellen, mit allem Notwendigen versorgt zu sein? Und welche veganen Lebensmittel liefern eine Extraportion kritischer Nährstoffe? Dies erklärt Dr. Markus Keller, Ernährungswissenschaftler und weltweit erster Professor für vegane Ernährung. Er setzt sich seit rund 25 Jahren für die Erforschung und wissenschaftliche Bewertung pflanzenbasierter Ernährung ein und ist Leiter des Forschungsinstituts für pflanzenbasierte Ernährung (IFPE) in Gießen. Gemeinsam mit unserer Moderatorin Sanja Middeldorf geht er der Frage nach, worauf Veganer:innen bei Ihren Mahlzeiten achten sollten, um einem Mangel an kritischen Nährstoffen vorzubeugen.
Markus Keller ist überzeugt: „Wir brauchen keine Superfoods oder spezielle vegane Lebensmittel, sondern das meiste ist in vollwertigen pflanzlichen Lebensmitteln drin.” Welche er persönlich empfiehlt und was er noch zusätzlich entwickelt hat, um Veganer:innen einfach und übersichtlich Orientierung zu bieten, erfahrt ihr in Folge 3 unseres Podcasts STUDIO VEGAN.
STUDIO VEGAN ist der Podcast der BKK Provita, Deutschlands erste nachhaltige und veggiefreundliche Krankenkasse. Moderatorin Sanja gibt gemeinsam mit wechselnden Studiogästen Tipps und Hilfestellung für (junge) Menschen, die sich erstmalig vegan ernähren möchten. In den Podcast-Folgen geht es um die unterschiedlichsten Themen rund um gesunde vegane Ernährung. Welche Vorteile hat pflanzenbasierte Kost? Worauf sollten diejenigen achten, die mit veganer Ernährung beginnen möchten? Welche Produkte gibt es für einen veganen Lifestyle? Welche Lebensmittel sollten nicht fehlen? Antworten liefert STUDIO VEGAN!
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- Positionspapier der DGE e. V. zur veganen Ernährung: https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf2016/0416/EU042016M220-M230_korr.pdf
- Broschüre "Vegan schwanger": https://bkk-provita.de/vegane-ernaehrung-in-der-schwangerschaft/
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00: 00:01Intro Sprecher: Willkommen bei STUDIO VEGAN - ein Podcast der BKK Pro Vita, Deutschlands erste veggiefreundliche und nachhaltige Krankenkasse.
Vorspann: Zitate Markus Keller
Vorspann: „Wir nennen in der Ernährungswissenschaft Nährstoffe kritisch, wenn die Zufuhr im Durchschnitt häufiger unter den Empfehlungen liegt.“
Vorspann: „Wir brauchen keine Superfoods oder spezielle vegane Lebensmittel, sondern das meiste ist in vollwertigen pflanzlichen Lebensmitteln drin.“
„Da gibt es eben tatsächlich Nährstoffe, mit denen Mischköstler: innen oft deutlich schlechter versorgt sind als die, die vegan leben.“
00: 00:38Sanja: Hi, ich bin Sanja. Ich spreche heute mit Markus Keller, dem weltweit ersten Professor für vegane Ernährung. Seit rund 25 Jahren setzt er sich für die Erforschung und wissenschaftliche Bewertung pflanzenbasierter Ernährung ein. Der Buchautor arbeitet am Forschungsinstitut für pflanzenbasierte Ernährung in Gießen. Okay, hallo Marcus, schön, dass du da bist. Wir sprechen heute über kritische Nährstoffe und ich habe mir gedacht, wir steigen heute mal ein bisschen anders ein. Und zwar habe ich heute zum Frühstück gegessen: Porridge mit Hafer-Milch, Chashew-Kernen, Apfel und Zimt. Was würdest du denn sagen? Ist das aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ein gutes veganes Frühstück?
00: 01:14Markus Keller: Ja, das passt schon mal - Du hast Getreide dabei, Vollkorn-Getreide, nehme ich jetzt mal an, hast Obst dabei gehabt, die Nüsse schon. Also es ist eigentlich ein Superstart.
00: 01:27Sanja: Also Superstart in den veganen Tag.
00: 01:31Markus Keller: Genau.
00: 01:32Sanja: Wie ist es denn hier jetzt zum Beispiel bei dieser Portion zum Frühstück? Wie sieht es da mit den kritischen Nährstoffen aus? Also habe ich da jetzt irgendwas vergessen oder gibt es irgendwas, was ich da noch beachten könnte, was ich vielleicht noch mit drauf tun könnte?
00: 01:47Markus Keller: Na ja, wir müssen jetzt nicht unbedingt in jeder Mahlzeit alle kritischen Nährstoffe super abdecken, wenn sich das ergibt, okay. Aber wir gehen da eigentlich auch in unseren Praxisangeboten eher so vor, dass wir sagen, es gibt Mahlzeiten, die haben jetzt so ein bisschen Schwerpunkt, vielleicht mal aufs Protein, auf das Eiweiß, dann haben wir Mahlzeiten, wo Eisen ein bisschen im Fokus ist oder andere, wo es eher um das Kalzium geht. Also insofern muss das nicht alles auf einmal passieren. Aber du würdest jetzt hier zum Beispiel schon was für Eisen getan haben. Protein ist drin, ungesättigte Fettsäuren sind drin, ein bisschen Kalzium ist drin. Das ist schon mal ein guter Start. Ich sage mal, eine Optimierungsmöglichkeiten wäre jetzt vielleicht noch gewesen, noch so ein DHA angereichertes oder EPA-DHA angereichertes Leinöl drüber zu geben. Das sind ja diese langkettigen Omega-drei-Fettsäuren, die eigentlich in den Fischen vorkommen, den Meeres-Fischen, aber die machen es auch nicht selber, sondern das kommt dann eben von Mikro-Algen aus dem Meer und die produzieren diese langkettigen Omega-drei-Fettsäuren und die gibt es dann eben auch in Form von angereichertem Leinöl zum Beispiel. Und dann hättest du da noch einen obendrauf setzen können.
00: 03:09Sanja: Ja, okay, hätte ich das dann noch ein bisschen drauf tröpfeln können und dann wäre es aber rund gewesen?
00: 03:13Markus Keller: Genau. Aber es gibt ja noch mehr Mahlzeiten am Tag.
00: 03:16Sanja: Das stimmt. Ja, das ist halt so ein Frühstück, das essen halt viele so in meinem Alter und auch viele, die jetzt gerade vegan werden. Deswegen dachte ich, das ist vielleicht ganz gut zu wissen, ob das auch wirklich ein gutes Frühstück ist. Wenn wir jetzt gerade diese kritischen Nährstoffe schon mal angesprochen haben: Was sind denn überhaupt diese kritischen Nährstoffe? Und warum nennt man die so, dass man einfach als Hörer:in mal komplett abgeholt wird und einfach mal aufgerollt wird, was das eigentlich ist?
00: 03:44Markus Keller: Also ich fange mal an, was das eigentlich ist. Also wir nennen in der Ernährungswissenschaft Nährstoffe kritisch, wenn die Zufuhr, also das, was wir rechnerisch mit den Lebensmitteln aufnehmen, ganz vereinfacht gesagt, was da drin ist, was wir essen, wenn das im Durchschnitt häufiger unter den Empfehlungen liegt. Also weißt ja, es gibt von der DGE oder streng genommen von den deutschsprachigen Ernährungs-Fachgesellschaften - das ist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die Österreichische und die Schweizer Gesellschaft für Ernährung - gibt es diese Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Und dort steht dann drin, dass du jetzt als junge Frau zum Beispiel pro Tag 15 Milligramm Eisen zuführen solltest, das heißt das in dem Essen, was du am Tag isst, 15 Milligramm Eisen drin sein sollten. Und jetzt sehen wir, wie häufig kommt es denn vor, dass die jeweilige Gruppe, also Frauen in einem bestimmten Alter, das eben nicht erreichen. Und wenn das häufiger vorkommt, oder dass sie im Durchschnitt eben nur bei zehn Milligramm liegen oder sogar weniger, dann würde man sagen, das ist ein kritischer Nährstoff. Oder wenn ein hoher Anteil der Frauen diesen Referenzwert nicht erreicht, ist es ein kritischer Nährstoff. Und bei Eisen ist das tatsächlich so - völlig unabhängig von vegan - da wissen wir aus den letzten repräsentativen Ernährungsdaten aus Deutschland - die sind schon ein bisschen älter, aber dennoch, es gibt noch keine neuen aus der nationalen Verzehrstudie zwei - dass etwa 75 % der jungen und mittelalten Frauen, für die ja diese Eisen-Empfehlung gilt - 75 % schaffen das nicht, diese 15 Milligramm zu erreichen. Also klassisches Beispiel für kritischen Nährstoff.
00: 05:35Sanja: Und jetzt zum Beispiel beim Eisen, das hast du ja auch gerade gesagt, das gilt ja für alle Frauen in einer bestimmten Altersgruppe. Und jetzt gibt es ja so kritische Nährstoffe, da spricht man, ich sage jetzt mal so in Anführungszeichen, nur davon, wenn man sich vegan ernährt. Was sind denn da so diese klassischen?
00: 05:52Markus Keller: Ja, also ich zähle einfach mal auf. Das geht natürlich los mit dem Vitamin B12, das nur in tierischen Lebensmitteln nennenswert vorkommt, in pflanzlichen eben praktisch nicht. Dann haben wir das Kalzium, dann ist es Eisen und Zink. Wir haben Vitamin B2, dann gibt es noch Jod und Vitamin D, die sind aber allgemein kritisch. Also das ist gar nicht so sehr veganspezifisch. Und dann haben wir eben noch die langjährigen Omega-drei-Fettsäuren, von denen wir am Anfang kurz gesprochen haben. Und manchmal nehmen wir auch noch das Eiweiß, das Protein mit rein, weil es da durchaus auch mal vorkommt, dass bestimmte Gruppen von Veganern, Veganerinnen vor allem, da auch eher eine niedrige Zufuhr haben. Aber im Großen und Ganzen ist Eiweiß gar nicht so ein Thema. Aber bei den anderen Nährstoffen, das sind schon die, auf die man bei veganer Ernährung etwas mehr achten sollte.
00: 06:49Sanja: Das sind ja alles so Begriffe - also man hat die vor allem in Verbindung mit veganer Ernährung schon sehr oft gehört. Aber wenn man jetzt zum Beispiel gerade erst in die vegane Ernährung einsteigt, dann ist man wahrscheinlich mit diesen ganzen Begriffen super überfordert, man hat das vielleicht mal irgendwo gehört - Vitamin B12 hört man eigentlich sowieso immer - aber du bist ja jetzt ein Experte da drin, aber wie ist das jetzt zum Beispiel für Laien? Also könntest du vielleicht mal sagen, in welchen Lebensmitteln welche Nährstoffe drinstecken, dass man das sich vielleicht so ein bisschen merken kann?
00: 07:21Markus Keller: Ja, also ich kann sie mal kurz zusammenfassen: Vitamin B12, da habe ich keine Alternative als eben zu ergänzen. Über Supplemente, also Nahrungsergänzungsmittel, Tabletten, Tropfen, angereicherte Lebensmittel oder auch Zahncreme - es gibt ja mit Vitamin B12 angereicherte Zahncreme - die auch funktionieren. Da haben wir auch mal eine Studie oder zwei Studien in der Vergangenheit zu gemacht. Beim Eisen und Zink sind es die Vollkorn-Produkte bzw. Vollkorn-Getreide, auch das Quinoa zum Beispiel als Pseudo-Getreide, die Nüsse, Hülsenfrüchte, Ölsamen zum Teil: das wärenfür Eisen und Zink gute Quellen. Dann haben wir das Kalzium: Da wäre eine ganz wichtige Empfehlung kalziumreiches Mineralwasser, weil die Milchprodukte, das sind ja die Hauptkalziumquellen bei der Mischkost, wegfallen und dann brauche ich Alternativen und das kalziumreiche Mineralwasser ist da wirklich eine sehr gute Möglichkeit, meine Kalziumversorgung zu verbessern. Übrigens nicht nur bei veganer Ernährung, sondern das gilt auch für die anderen, also die vegetarisch leben oder eine Mischkost essen. Auch die sind oft mit Kalzium - oder viele sind - nicht optimal versorgt bzw. haben auch eine niedrige Zufuhr. Dann hat man die langkettigen Omega-drei-Fettsäuren schon genannt, dann wären das die angereicherten Öle. So, was fehlt noch Vitamin B2. Das wird übrigens auch zu einem großen Teil über Milchprodukte aufgenommen, in der üblichen Ernährung. Und da gäbe es dann zum Beispiel Pilze, verschiedene Gemüse, vor allem aber auch hier wieder Vollkorn Produkte und Nüsse, die eine Rolle spielen. Hefepasten kann ich noch ergänzen und das sind eine riesige Palette an pflanzlichen Quellen. Und dann hätten wir noch das Vitamin D. Das hat mit Ernährung so gut wie nichts zu tun, sondern da muss ich in die Sonne gehen oder wenn keine Sonne scheint, jetzt kommt sie bei uns gerade raus, hier in Biebertal bei Gießen, aber vorhin war es noch bewölkt, dann kann ich auch im Sommer eben in der Haut wenig oder gar kein Vitamin D bilden. Aber in den sonnenarmen Monaten zwischen Oktober und März sollten wir Vitamin D ergänzen, egal wie ich mich ernähre. Und dann haben wir noch das Jod. Und Jod, wenn ich keinen Fisch esse, bin ich da nicht optimal versorgt. Dann bleibt noch das Jodsalz. Davon sollten wir aber auch nicht zu viel essen. Also uns nur mit Jodsalz mit Jod zu versorgen, das wäre dann zu viel Salz und auch nicht gut. Deswegen empfehlen wir hier noch die Algen. Das sind dann aber wieder andere Algen, also die großen Algen, die Macro Algen - zum Beispiel die Nori Alge, die kennst du ja als die Sushi Alge - die haben nämlich im Vergleich zu anderen Algen nicht ganz so viel Jod. Immer noch sehr viel, so dass ich da mit ein-, anderthalb von diesen Blättern, den quadratischen, pro Tag - zum Beispiel mit ein bisschen Jod Salz ergänzt - hätte ich meinen Jod-Bedarf gedeckt. So, und das hört sich jetzt natürlich vielleicht immer noch so ein bisschen kompliziert an, aber genau dafür gibt es ja dann unsere Gießener Vegane Lebensmittel Pyramide, die man ja auch bei der BKK ProVita kostenlos runterladen kann. Und da steht das schön übersichtlich auf einen Blick und eben auch die entsprechenden Mengenangaben, Portionen, welche Lebensmittel in welchen Mengen. Also da kann man sich super orientieren und dann ist das eigentlich gar nicht so kompliziert.
00: 10:56Sanja: Ich finde aber auch, diese ganzen Sachen, die du gesagt hast, da rechnet man dann irgendwie damit, wenn es jetzt um kritische Nährstoffe geht, dann ist es ja so schwer, da dran zu kommen. Aber das sind ja alles Lebensmittel, die du gerade genannt hast, die man eigentlich super easy bekommt und die man auch super easy in den Alltag mit einbauen kann.
00: 11:13Markus Keller: Ja, absolut. Wir brauchen keine Superfoods oder spezielle vegane Lebensmittel. Also da gibt es natürlich viele auf dem Markt. Manches ist auch ganz okay, manches ist auch gar nicht schlecht. Aber wir brauchen die nicht, sondern das meiste ist in vollwertigen pflanzlichen Lebensmitteln drin. Ausnahmen sind dann eben vor allem das Jod. Da gibt es halt in pflanzlichen Lebensmitteln außer in den Algen so gut wie nichts. Und diese langkettigen Omega-drei-Fettsäuren, die kommen im Pflanzen gar nicht vor, außer in diesen Mikro Algen wiederum, und die gibt es aber nur im Meer, das heißt, die muss ich mir dann auch irgendwie besorgen, aber der ganze Rest ist sehr gut über die Lebensmittel machbar.
00: 11:53Sanja: Total. Du hast schon mal die Mischköstler:innen angesprochen. Man sagt ja irgendwie immer bei Veganer:innen: ja, boah, da musst du mega aufpassen, das ist kritisch und das. Aber gibt es bei Mischköstler:innen nicht auch kritische Nährstoffe? Also zum Beispiel beim Eisen hast du es ja eben schon mal so angedeutet.
00: 12:12Markus Keller: Nee, da ist immer alles super. Nee, klar, da gibt es genauso kritische Nährstoffe. Das wird halt leider immer so ein bisschen vergessen oder viele wissen es ja auch nicht. Die Frage könnte man genauso zurückgeben. Wenn dann gefragt wird: Ja, wo kriegt ihr denn euer Eisen her? Oder: Wo kriegt ihr euer Eiweiß her? Kann man ja zurückfragen Wie sieht es denn bei dir mit Folsäure aus? Zum Beispiel dann kommt oft: Hä? Also da gibt es eben tatsächlich Nährstoffe, mit denen Mischköstler:innen oft deutlich schlechter versorgt sind als die, die vegan leben. Das ist jetzt zum Beispiel die Folsäure. Folsäure, da steckt das Folium drin und Folium ist lateinisch Blatt. Wo hat man Folsäure als erstes entdeckt? In Spinat, in grünem Blattgemüse. Und deswegen ist das eine super Quelle: grünes, frisches Blattgemüse, Salate, übrigens auch Vollkornprodukte und Nüsse. Und auch da essen die meisten Mischköstler:innen ja eher weniger davon und deswegen sind sie damit schlechter versorgt. Vitamin C wäre wieder ein Beispiel. Da sind zumindest nach den Daten, die wir haben, die wie gesagt schon ein bisschen älter sind, aber momentan müssen wir damit arbeiten - ungefähr 30 % der Erwachsenen schaffen es nicht, die Zufuhrempfehlung zu erreichen. Bei Vitamin C.
00: 13:33Sanja: Okay.
00: 13:34Markus Keller: Das geht super easy. Bisschen Obst, bisschen Gemüse. Da brauche ich noch nicht mal meine fünf Portionen pro Tag. Da komme ich mit viel weniger aus, um Vitamin C abzudecken. Und die meisten Veganer:innen liegen da weit, weit drüber. Sehen wir auch in unseren Studien. Aber da gibt es echt ein Problem im Sinne von Zufuhr ist nicht optimal, die haben nicht alle Nährstoffmängel deswegen. Aber bei Mischköstler:innen ist einfach die Zufuhr oft überhaupt nicht so toll und und da gibt es noch weitere Beispiele. Ballaststoffe: auch eher kritisch. Die meisten essen zu wenig Vollkorn, nehmen zu wenig Ballaststoffe auf und bei veganer Ernährung haben wir hier Mengen von 30, 40, 50 Gramm pro Tag. Die Empfehlung liegt bei mindestens 30 Gramm pro Tag und der Durchschnitt in Deutschland sind 25 Gramm pro Tag. Also hier ist Nachholbedarf bei der Mischkost-Ernährung ganz klar.
00: 14:31Sanja: Also wenn man jetzt mal irgendwie blöd angemacht wird auf so einer Familienfeier, dann kann man ganz gut kontern und mal nach diesen Sachen fragen.
00: 14:37Markus Keller: Klar, genau das wird bestimmt ganz lustig.
00: 14:42Sanja: Wenn wir jetzt gerade schon so ein bisschen über diesen Vergleich sprechen. In der Vegan-Szene hört man ja oft, dass die Ernährungsweise wirklich so das Nonplusultra ist. Aber wer lebt denn jetzt wirklich gesünder, wenn man das überhaupt so sagen kann? Was ist da der aktuelle Stand der Forschung?
00: 14:57Markus Keller: Ja, das ist immer so meine Lieblingsfrage: Wie gesund ist das denn? Wer lebt gesünder? Ist das die gesündeste Ernährung? Also den Begriff finde ich einfach ganz schwierig, weil es macht ja immer die Gesamtheit aus. Und die Frage ist, was bedeutet denn gesund? Heißt das, dass ich mit Nährstoffen gut versorgt bin, dass ich keine Erkrankungen bekomme, die mit Ernährung zu tun haben, dass ich 100 Jahre alt werde, was auch immer? Das ist so ein bisschen schwierig und vor allem, wenn es dann um Lebensmittel geht, einzelne Lebensmittel als gesund oder ungesund - wir wissen, was gemeint ist. Wir würden erwarten, dass ein frisch gepresster Saft wahrscheinlich in Anführungszeichen gesünder ist als eine Flasche Cola. Aber dann kommt es auch wieder ein bisschen drauf an: Wenn ich jetzt zu viel von dem Saft trinke, ist das zum Beispiel für meinen Kohlenhydrat-Stoffwechsel auch nicht so toll oder für meine Leber tatsächlich. Immer noch besser als Cola, aber trotzdem, es kommt immer so ein bisschen drauf an. Aber um die Frage zu beantworten, das kann man wirklich nicht sagen, dass eine Ernährung jetzt das Gesündeste ist oder eine besonders ungesund ist. Es kommt darauf an, wie ich die ausgestalte. Und was wir aber vergleichen können ist, wie schneiden denn verschiedene Gruppen ab, die sich unterschiedlich ernähren in den großen Ernährungs-Studien in Bezug auf diese Krankheiten oder wir sagen für das Risiko für diese Krankheiten. Und da sieht man eben sehr schön, dass Veganer und Veganerinnen - und das gilt meistens auch für die, die vegetarisch leben - ein geringeres Risiko haben, für Übergewicht, für Typ zwei Diabetes, für erhöhten Blutdruck, für Herzerkrankungen und auch für Krebs insgesamt. Da ist das Risiko leicht reduziert. Bei den anderen Erkrankungen sind die Unterschiede oft deutlich höher. Also bei Diabetes ist zum Beispiel das Risiko für Veganer und Veganerinnen ungefähr nur halb so hoch wie bei den Kontrollgruppen oder Vergleichsgruppen, die eben eine übliche Mischkost essen. Und wichtig ist dabei noch, weil dann kommt immer gerne der Einwand: Ja, aber das hat ja nichts mit der veganen Ernährung zu tun, sondern weil die sind ja schlanker und die machen mehr Sport und die rauchen nicht und die trinken keinen Alkohol. Teilweise stimmt das ja, teilweise auch nicht. Gerade beim Alkohol gibt es da teilweise auch keine Unterschiede zu den Mischköstler:innen. Aber diese Effekte, das wissen natürlich die Forscher:innen, die die Studien durchführen, die muss ich natürlich herausrechnen. Wir nennen das dann statistisch adjustieren. Das heißt, wir versuchen diese Einflussfaktoren, die natürlich einen wichtigen Effekt haben, auf die Erkrankung oder das Risiko, herauszurechnen. Oder du kannst es Dir so vorstellen: Wir versuchen Menschen zu vergleichen, die in diesen Lebensstil-Faktoren gleich sind, also die ungefähr gleiches Körpergewicht haben, gleiches Geschlecht, natürlich ungefähr gleich alt sind, die gleich viel Sport machen, gleich wenig rauchen, gleich viel Alkohol trinken, aber sich dann in der Ernährung unterscheiden. Die einen sind vegan, die anderen sind vegetarisch. Dann habe ich Menschen, die eine Mischkost essen, dann gibt es auch die Fischesser:innen meistens noch in diesen Studien. Das heißt, ich habe dann diese anderen Faktoren rausgerechnet und dann habe ich eben immer noch dieses geringere Risiko bei denen, die vegan leben, im Vergleich zu denen, die ne Mischkost essen. Die Unterschiede werden ein bisschen kleiner. Also wenn ich diese Faktoren nicht berücksichtige, da ist der Unterschied viel größer und schneiden die Veganer noch besser ab. Aber wenn ich diese Faktoren berücksichtige, dann wird der Unterschied ein bisschen kleiner, aber er ist immer noch oft ziemlich beeindruckend.
00: 18:57Sanja: Also das heißt jetzt nicht unbedingt, Veganer:innen leben gesünder, sondern beugen vielleicht typische Krankheiten in Deutschland besser vor.
00: 19:07Markus Keller: Das heißt ja eigentlich auch ... genau das waren ja so Beispiele für die typischen, man sagt ja auch Volkskrankheiten, Zivilisationskrankheiten, die ganz viel mit dem Lebensstil zu tun haben. Also niemand muss von Natur aus Diabetes bekommen. Das ist eine ganz klar Lebensstil-bedingte Erkrankung. Die hat mit Übergewicht zu tun, die hat aber auch mit meiner körperlichen Aktivität, Alkohol, aber vor allem dann auch mit meiner Ernährung zu tun. Und wenn ich zum Beispiel eben viel Vollkorn-Produkte esse, viel Vollkorn-Ballaststoffe, Getreide-Ballaststoffe drin habe, Gemüse, Obst mit drin habe und eben kein rotes Fleisch, keine Fleischwaren esse - das sind so mit die wichtigsten Faktoren, die des Diabetes Risiko beeinflussen - dann habe ich eben Vorteile und dann habe ich ein geringeres Risiko als jemand, der es eben genau umgekehrt macht: Viel Weißmehl-Produkte und dafür ordentlich Wurst und rotes Fleisch, wenig Gemüse, der hat dann eben ein höheres Risiko. Also ich kann das durchaus entsprechend beeinflussen.
00: 20:11Sanja: Es ist doch gut zu wissen, dass man dann auch etwas Gutes für sich tut.
00: 20:15Markus Keller: Genau. Aber wichtig ist vielleicht noch als Ergänzung, weil das wird manchmal auch falsch verstanden. Es ist eben jetzt nicht so, dass das Risiko dann auf Null zurückgeht.
00: 20:23Sanja: Klar.
00: 20:25Markus Keller: Also bei Diabetes, ich habe das vorhin gesagt, ist das Risiko ungefähr halb so hoch: Minus 50 % bei denen, die vegan leben oder auch vegetarisch im Vergleich zu denen, die eine Mischkost essen. Aber jetzt nur mal als Rechenbeispiel: Nehmen wir an, wir haben 1000 Teilnehmer, 1000 Leute, die vegan leben und Vergleichsgruppe 1000, die eine Mischkost Essen. In der Bevölkerung ist es ungefähr ein Diabetes Anteil von 10 %. Das heißt, von diesen 1000 würden, wenn Sie ein bestimmtes Alter haben, natürlich, in dem Studien-Zeitraum von ein paar Jahren oder auch Jahrzehnten, würden 10 % neu erkranken an Diabetes, also 10 % von 1000. Bei dieser Mischkost Ernährung, bei der üblichen Ernährung. Und dann habe ich die vegane Gruppe, da ist das Risiko halbiert. Das heißt, da erkranken dann eben nicht 100, sondern nur 50. Das sind trotzdem noch 50 oder eben 5 %. Aber es sind eben nur halb so viel wie in der anderen Gruppe. Also es ist immer nur relativ. Auch das schützt uns eben nicht vollständig davor. Im Einzelfall können wir das sowieso nicht sagen. Wir können uns noch so gesund in Anführungszeichen verhalten - trotzdem kommt es vor, dass man an Krebs erkrankt oder an Diabetes oder an einer Erkrankung. Aber ich kann viel dafür tun, dass ich eben nicht bei denen bin, die trotzdem erkranken. Ob es mich dann trotzdem trifft, weiß ich nicht. Aber das Risiko, die Wahrscheinlichkeit, die ist einfach viel geringer. Und das, denke ich, lohnt sich dann auf jeden Fall, weil das ja auch mehr Lebensstil bringt. Abgesehen davon, ob ich die Erkrankung bekomme oder nicht - das hat ja auch einen Weg. Das passiert ja nicht von heute auf morgen, sondern das dauert ja auch Jahre, teilweise auch Jahrzehnte, gerade bei einer Krebserkrankung, bis es dann zu der Erkrankung kommt. Und auf dem Weg dahin habe ich ja so viele Möglichkeiten, das zu beeinflussen, indem ich mich eben gesundheitsfördernd verhalte und eben auch gesundheitsfördernd ernähre. Und abgesehen davon finde ich auch, macht das auch Spaß und es schmeckt auch, wenn ich das richtig mache. Und es geht ja nicht nur darum, nicht krank zu werden, sondern eben eine hohe Lebensqualität zu haben.
00: 22:41Sanja: Okay, wenn wir jetzt aber gerade dabei sind: Gibt es denn Menschen, die sich besser nicht vegan ernähren sollten?
00: 22:47Markus Keller: Das würde ich erst mal nicht sagen. Es kommt immer darauf an, wie ich das ausgestalte. Also was da zuerst in Kopf kommt, ist natürlich: wie ist das mit Kindern, Schwangeren usw., die sogenannten Risikogruppen, die ja meistens einen höheren Nährstoffbedarf haben, also gemessen am Körpergewicht, an der Körpergröße, bei den Kindern oder bei Schwangeren höherer Nährstoffbedarf durch das Wachstum, weil dann noch ein zweites oder drittes - je nachdem - Lebewesen mitwächst. Wir haben ja selber Studien dazu durchgeführt und gesehen, wenn ich das richtig mache, auf die Nährstoffe achte, auf die ausreichende Zufuhr achte, die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen mitmache, dann spricht aus unserer Sicht überhaupt nichts dagegen, auch in der Kindheit, Jugend, Schwangerschaft, Stillzeit, im Alter, bei Leistungssport sich vegan zu ernähren. Es gibt leider nur wenige Studien zu genau den Gruppen, die ich genannt habe, aber wir sehen erst mal nichts, was uns wirklich sagen würde: Nein, das geht überhaupt nicht, sondern es muss richtig gemacht werden, gut geplant sein und dann geht das. Ein Sonderthema vielleicht ist das Thema Essstörungen. Allerdings ist das eben ein spezielles Thema. Das ist ja eine Erkrankung, die eben ein psychischen Hintergrund hat. Und wir sehen in den Studien - und da gibt es jetzt doch immer mehr - schon einen Zusammenhang zwischen Essstörungen und einer meistens veganen, manchmal auch vegetarischen Ernährung. Aber die Frage ist jetzt: Was war denn zuerst da? Was ist sozusagen Ursache und Wirkung? Hat die vegane Ernährung die Essstörung hervorgebracht? Oder war es vielleicht umgekehrt, dass eben eine Essstörung schon vorhanden war? Und meistens sind es ja junge Frauen, die dann diese Möglichkeit gewählt haben, um die Essstörung zu verstecken, zu kaschieren. Dann fragt keiner mehr: "Ja, warum isst du das denn nicht oder so wenig?" "Na ja, ich lebe ja vegan, deswegen kann ich das und das und das und das nicht mehr essen." Und das ist schon die Theorie oder der Erklärungsansatz, der so ein bisschen dominiert in der Diskussion, dass also tatsächlich es eher umgekehrt ist. Aber da ist man noch nicht am Ende der Fahnenstange, sozusagen wissenschaftlich. Da gibt es einfach noch viele offene Fragen. Ich weiß aber auch aus Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen oder auch in Fachgremien und Fachkreisen, wenn wir diskutieren, dass Kliniken die Essstörungen behandeln, teilweise da ganz rigoros sind und eine vegane Ernährung verbieten. Was ich für - ich bin jetzt kein Psychologe und auch kein Psychiater, ich kann es jetzt nicht aus der Sicht endgültig beantworten - aber ich halte es einfach für eine schwieriges Vorgehen, weil diejenigen, die vegan leben, aus welchen Gründen auch immer, das aus einer inneren tiefen Überzeugung gemacht haben. Die meisten, gibt auch andere sicher. Und dann ist es schwierig, das zu versuchen auszureden, dann wird das in irgendeiner Form heimlich gemacht vielleicht oder eben die Therapie abgebrochen, was auch immer. Es gibt aber auch andere, die da aufgeschlossen sind. Die sagen: Die Richtlinien sind so, wir dürfen das eigentlich nicht. Aber wir wollen eben die Patienten und Patientinnen dann auch entsprechend abholen und mit ihnen arbeiten, nicht gegen sie arbeiten und eben auch Wege finden. Wie kann ich dann vielleicht trotz Essstörung eine vegane Ernährung beibehalten? Aber das heißt dann, da muss dann zum Beispiel ganz platt gesagt mehr Energie rein. Also da muss dann einfach die Energiedichte erhöht werden, zum Beispiel durch pflanzliche Öle. Aber das sind dann Experten und Expertinnen, die das wirklich in der Praxis machen. Das mache ich ja nicht, aber ich unterhalte mich ja mit denen und das wird dann manchmal akzeptiert von den Patienten und Patientinnen, manchmal aber auch nicht. Also das kann man jetzt auch nicht pauschal sagen. Also das ist so ein Sonderthema. Aber ansonsten - auch bei allen Erkrankungen - da gibt es sicher auch Bereiche, wo man sagt, gerade wenn es Erkrankungen sind wie bestimmte Krebserkrankungen oder generell Krebserkrankungen, da haben die Leute keinen Appetit, essen wenig und dann haben die von sich aus schon Probleme, genug Energie, genug Nährstoffe aufzunehmen, weil sie einfach sehr wenig essen. Das kann für Veganer natürlich schon einfach noch mal schwieriger sein. Aber das sind wirklich so Spezialfälle, wo man dann wirklich ganz genau schauen muss. Und da gibt es durchaus dann auch fachkompetente Beratungs-Fachleute, die da auch entsprechend .... also nicht viele, weil das Thema wird in der üblichen Ausbildung im Studium ja nicht behandelt. Du hast ja auch Ökotrophologie studiert, zumindest zeitweise, und dir ist da wahrscheinlich auch wenig zu dem Thema vegane Ernährung untergekommen. Das kommt im Studium auch so gut wie nicht vor, aber es gibt Fortbildungen, auch welche, die wir dann zum Teil anbieten, wo dann auch Fachleute wirklich da ausgebildet werden und dann entsprechend da auch beraten können. Aber im Großen und Ganzen gibt es im Prinzip aus meiner Sicht keine grundsätzlichen Lebensumstände von den Ausnahmen abgesehen, wo man wirklich von der veganen Ernährung komplett abraten würde.
00: 28:26Sanja: Aber das finde ich super spannend, weil das ist so was, das liest man ja total oft, dass zum Beispiel Schwangere oder Kinder das irgendwie nicht machen sollten. Deswegen voll gut, dass wir das in dem Podcast noch mal aufgegriffen haben für so normal gesunde Menschen. Kommen wir noch mal zu denen zu sprechen. Du hast ja eben schon mal diese vegane Lebensmittel Pyramide angesprochen. Wenn ich jetzt so an Menschen denke, die sich jetzt anfangen vegan zu ernähren und dann mit diesen kritischen Nährstoffen in Berührung kommen. Gibt es da irgendwie so Hilfestellungen im Alltag, wie man das so leicht umsetzen kann? Also du hattest das ja eben schon mal so erklärt, welche Lebensmittel es gibt. Vielleicht kannst du diese Lebensmittel Pyramide noch mal kurz genauer erklären.
00: 29:06Markus Keller: Ja, genau dafür haben wir die ja gemacht. Also konkret heißt ja Gießener Vegane Lebensmittel Pyramide und die ist jetzt schon mehrfach überarbeitet worden. Da haben wir dann auch wirklich auch Fachpublikationen dazu geschrieben und veröffentlicht. Die ist ja nicht nur irgendwie entstanden, weil das ganz schön aussieht auf der Pyramide, wenn da unten viel Gemüse ist, sondern das ist ja alles berechnet und durchdacht und wirklich auch mit Ernährungsplänen hinterlegt. Über zwei Wochen Ernährungs-Pläne, vegane natürlich, die dann so zusammengestellt sind, dass ich dadurch im Durchschnitt jeden Tag meinen Nährstoffbedarf gut - oder die Empfehlungen für die Nährstoff-Zufuhr - gut umsetzen kann. Ist jeden Tag ein bisschen anders. Mal ist ein bisschen mehr Kalzium drin, mal ein bisschen weniger. Aber darum geht es ja auch nicht, dass ich das jeden Tag unbedingt erreiche, sondern im Wochen- oder sogar zwei Wochen-Durchschnitt. Darum geht es eigentlich. Und das Tolle ist ja dran: wenn ich mich an der Pyramide orientiere, dann muss ich eben gerade nicht mehr nachrechnen. Ich muss nicht meine Calciumzufuhr zusammenrechnen, sondern wenn ich mich an die Empfehlung halte in der Pyramide, dann kommt das automatisch, dass ich damit alle Nährstoffe abgedeckt habe. Es sei denn, es sind zusätzliche Empfehlungen wie beim Jod, wo ich dann die Algen mit einbauen sollte oder eben Algen - es gibt auch so Algen-Presslinge, die ich nehmen kann. Wenn ich eben keine Algen als solche möchte oder es vielleicht nicht passt, jeden Tag Algen irgendwo einzubauen. Die Omega drei Öle, also die EPA und DHA Öle, Vitamin B12 Supplemente hier und das sind ja die Sonderthemen sozusagen und alles andere kann ich eben gut abdecken, wenn ich mich an diese Empfehlung in der Pyramide halte. Und irgendwann hat man das dann auch verinnerlicht. Ich muss nicht jeden Tag gucken: Ah, jetzt 2 bis 3 Portionen Vollkorn, Getreide oder Kartoffeln, wie viel Gramm waren das? Das weiß man dann irgendwann. Und was kommt jetzt dazu? Und Gemüse? Wie viel? Das hat man irgendwann drauf. Tatsächlich ist es am Anfang sicher gut, sich da in Anführungszeichen ein bisschen strenger möchte ich sagen, ein bisschen genauer dran zu orientieren. Und wir haben ja auch schon eine Studie mit unserer Pyramide gemacht. Wir haben da eine Gruppe von Veganer:innen, die schon vegan lebten, genommen, so um die 50, bzw. zusammen waren es um die 60, glaube ich - also zwei mal 30 ungefähr - und eine Gruppe, die sich gerade auf eine vegane Ernährung umgestellt hat, teilweise vorher vegetarisch gelebt haben oder eine Mischkost. Beide Gruppen haben dann die Pyramide bekommen, vorher ihre Ernährung aufgeschrieben, genau protokolliert. Dann haben sie die Pyramide bekommen, sollten die dann umsetzen, eine Weile, ein paar Wochen und dann haben sie wieder protokolliert, was sie essen. Und dann haben wir eben schön gesehen: diejenigen, die schon vegan gelebt haben, bevor sie die Pyramide hatten, die haben in vielen Bereichen schon besser abgeschnitten. Also haben mehr umgesetzt von der Pyramide als die, die sich neu umgestellt hatten. Das war schon mal ganz interessant. Und was aber in allen Gruppen, aber noch mehr bei dieser Umstellungsgruppe noch nicht optimal war, das war einmal der Vollkorn-Anteil beim Getreide. Also da ist immer noch ein Nachholbedarf. Und dann diese Sonder-Empfehlung - Spezial-Empfehlung, also Jod, langkettige Omega-drei-Fettsäuren und durchaus auch das Kalzium in Bezug auf das kalziumreiche Mineralwasser zum Beispiel. Also da hatten alle Nachholbedarf oder im Durchschnitt hatten sie Nachholbedarf. Aber die, die schon länger vegan gelebt haben, die haben es besser gemacht. Aber auch da war es so, dass Kalzium nicht so richtig auf dem Schirm war und auch die Omega-drei-Fettsäuren, die langkettigen nicht auf dem Schirm war, Jod nicht auf dem Schirm war. Das ist sicher was, wo alle, die vegan leben noch mehr drauf achten sollten.
00: 33:12Sanja: Und dann ist es aber eigentlich voll cool. Wenn man dann diese Lebensmittel Pyramide hat, dann kann man sich direkt da schon mal so ein bisschen dran orientieren und dann gewöhnt man sich so ein bisschen dran und lernt damit irgendwie.
00: 33:22Markus Keller: Genau. Die soll es ja ganz einfach machen, dass ich eben nicht dauernd rechnen muss. Was natürlich trotzdem super ist, ist einfach, wenn man sich ein paar tolle vegane Kochbücher zulegt, viel ausprobiert, vielleicht auch einen Kochkurs besucht. Also online gibt es da auch unheimlich viele Möglichkeiten inzwischen. Oder natürlich auch live irgendwo einen Kochkurs belegen oder mit Freunden und Freundinnen, die schon vegan leben, sich da mal einladen lassen, mit denen zusammen kochen und dann geht das so in das nicht vegane Fleisch und Blut über mit der Zeit. Also das ist alles auch eine Frage der Praxis. Wenn ich da mehr Übung habe, dann dann wird das auch immer besser.
00: 34:05Sanja: Du hast ja gerade eben auch schon mal Supplements angesprochen. Das wäre jetzt auch noch mal meine meine fast letzte Frage. Das ist ja auch so ein "Riesending". Wie sieht es denn aus mit Supplements? Also brauchen Veganer:innen wirklich Supplements oder ist es nicht so? Wie ist da deine Meinung, deine Erfahrung?
00: 34:23Markus Keller: Ja, also es ist erst mal viel weniger als manche denken. Also wir brauchen jetzt nicht zehn verschiedene Supplemente oder müssen Multi-Nährstoff-Vitamine oder Präparate einnehmen. Die gibt es auf dem Markt. Teilweise ist das auch ganz sinnvoll, aber es ist wichtig, dass Vitamin B12 supplementiert wird, das ist klar. Daran führt kein Weg vorbei, wenn ich das vernünftig im eigenen Interesse machen möchte. Und die anderen Dinge habe ich gesagt, also die Omega-drei reichen Öle, also die angereicherten Öle mit den EPA und DHA; bei Jod entweder die Algen oder Algen-Presslinge. Ich kann natürlich auch ein Jod Supplement nehmen, wenn ich möchte, das geht genauso. Dann habe ich auch einen definierten Jod-Gehalt, wenn ich eben keine Algen essen möchte oder keine Algen-Presslinge. Bei allem anderen kriegen wir das über die Ernährung hin. Es ist teilweise ein bisschen aufwändiger oder nicht unbedingt aufwändiger, aber ich muss ein bisschen mehr gucken, gerade beim Kalzium. Wenn ich jetzt zum Beispiel kein Mineralwasser verwenden möchte. Ist ja auch bei vielen der Fall, die sagen "es ist mir zu teuer." Ökologisch, was ja richtig ist, schneidet es schlechter ab als das, was aus dem Hahn kommt, weil eben mehr Transporte verbunden sind, die Aufbereitung. Aber in Bezug auf die Mineralstoffgehalte komme ich mit Trinkwasser nicht so weit, da brauche ich schon Mineralwasser, Kalzium, Magnesium - das sind ja so die zwei wichtigsten. Wenn ich das aber nicht möchte, dann muss ich mir wieder Alternativen suchen. Und dann gibt es natürlich noch die Kohlarten, die Kalzium liefern, Grünkohl, Pak Choi, Broccoli, durchaus auch Mandeln, bestimmte Tofu-Sorten, die mit so einem Kalzium-Salz als Gerinnungsmittel hergestellt wurden. Da gibt es schon viele Möglichkeiten, aber da muss ich dann schon ein bisschen genauer gucken. Auch wenn es um Schwangerschaft geht. Kinder, Jugendliche, da haben wir auch Bücher dazu, sowohl zur veganen Schwangerschaft als auch zur veganen Kinderernährung, wo wir genau noch mal die Anleitung geben mit diesem Fokus. Da sind auch ganz viele Rezepte drin von meiner Kollegin, von der Edith Detjen, die dann auch sagt, wie kriege ich das dann mit vollwertigen Lebensmitteln umgesetzt, auch in bestimmten Mahlzeiten? Und das ist schon sinnvoll, sich da wirklich schlau zu machen. Aber ansonsten brauche ich eigentlich keine Supplemente. Vitamin D gilt für alle in den Sonnenarmen Monaten, das hatten wir schon gesagt.
00: 37:10Sanja: Vor allem in Deutschland.
00: 37:11Markus Keller: Genau. Oder den Winter verbringe ich ganz im Süden, also ab Kreta und südlicher funktioniert das dann auch im Winter. Aber alles, was nördlicher ist, da passiert nicht mehr viel mit Vitamin D. Ich bin halt schon immer dafür, ein bisschen die Nährstoffe zu ergänzen, die nicht anders gehen. Manche sagen jetzt aber "Ja, aber es ist einfach bequemer und ich komme irgendwie nicht dazu, jeden Tag frisch zu kochen und so", dann kann das natürlich schon sinnvoll sein, auch mal den einen oder anderen Nährstoff darüber noch zu zu ergänzen. Es gibt aber auch noch offene Fragen. Also wir führen tatsächlich demnächst auch eine Studie durch, wo wir dann auch aufrufen werden und Probanden und Probandinnen suchen werden, die vegan leben, wo wir tatsächlich mal so ein Multi-Nährstoff-Präparat untersuchen. Und da gibt es noch ein paar Sonderfragen: Vitamin A, Selen, über das wir jetzt heute auch nicht gesprochen haben und Colin und solche Dinge, wo nicht so ganz klar ist, wie kritisch ist das denn? Aber da wollen wir einfach mal gucken, wie ist denn die Ausgangslage bei unseren Teilnehmer:innen? Wie verbessert sich das im Idealfall dann durch so ein Präparat? Und was können wir dann für Schlüsse daraus ziehen? Also es gibt tatsächlich noch so ein paar Nährstoffe oder Inhaltsstoffe, wo es noch nicht so ganz klar ist: Müssen wir da vielleicht noch mehr drauf achten bei veganer Ernährung oder nicht? Und das wird dann die Studie auch so ein bisschen - also nicht nur ein bisschen, hoffe ich - sondern ordentlich beleuchten, dass wir dann da auch noch mehr Erkenntnisse haben. Die wird so Richtung Herbst 2022 losgehen. Also ab dann kann man da auch mitmachen. Vorher rufen wir dazu auf. Und findet man auf unserer Seite dann auch Infos dazu unter www.IFPE-gießen.de Da werden wir dann auch immer draufschreiben, wenn wenn es Neues gibt, wie auch Leute suchen für Studien.
00: 39:17Sanja: Aber voll interessant. Also es ist auch für Hörer:innen gut zu wissen, wo brauche ich jetzt unbedingt ein Supplement und wo nicht unbedingt, weil das ist ja auch immer so was, wo man sich recht unsicher ist und wo man auch manchmal viel Geld für Sachen ausgibt, das man nicht unbedingt braucht. Zum Abschluss habe ich noch eine Frage. Das ist mir die ganze Zeit durch den Kopf gegangen, während wir jetzt gesprochen haben: Lebst du denn eigentlich selber vegan?
00: 39:41Markus Keller: Ja, also es ist eigentlich immer gut, wenn die Frage kommt, dann ist es nicht zu deutlich, was mein persönlicher Hintergrund ist. Aber will ich natürlich beantworten. Also ich sage immer, ich bin so 95 bis 98 % vegan. Zu Hause im Prinzip komplett von, sag ich mal, ein paar Süßigkeiten abgesehen, gelegentlich. Und dann mache ich ab und zu selten vegetarische Ausnahmen. Unterwegs esse ich mal - in letzter Zeit auch weniger, weil ich nicht so viel unterwegs bin, gerade ist ja sehr viel auf online verlagert, was ich gar nicht so schlecht finde - aber dann ist das die berühmte Butter-Bretzel am Bahnhof, die ich dann halt immer mal gegessen habe. Wie gesagt, so ein paar kleine Ausnahmen mache ich da auch, aber der Rest ist dann schon vegan.
00: 40:32Sanja: Aber es ist gut zu wissen. Da kann man sich dran halten.
00: 40:35Markus Keller: Ja, auf jeden Fall.
00: 40:38Sanja: Okay, das war auch meine letzte Frage. Dann schon mal vielen, vielen Dank dir. Ich glaube, das hat den Hörer:innen auf jeden Fall weitergeholfen, vor allem jetzt. Für den Einstieg ist das super wichtig zu wissen. Und genau, dann wünsche ich dir noch einen schönen Tag.
00: 40:49Markus Keller: Prima, wünsche ich dir auch. Bis bald. Tschüss.
00: 40:53Sanja: Du hast eine Frage rund um das Thema vegan? Dann schick uns gerne eine Sprachnachricht bei WhatsApp an die 015731830753. Die Nummer findest du natürlich auch in den Shownotes. Wir hören uns dann beim nächsten Mal.
00: 41:07Sprecher: Das war Studio Vegan, ein Podcast der PKK ProVita - Deutschlands erste Veggie freundliche und nachhaltige Krankenkasse.
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