#1 VEGANE MYTHEN mit Aljosha Muttardi

Shownotes

Ist vegane Ernährung unnatürlich? Macht der Verzicht auf tierische Produkte krank und führt zu Mangelerscheinungen? Zerstören Veganer:innen durch ihren Soja-Konsum den Regenwald? Und schmecken pflanzenbasierte Mahlzeiten überhaupt?

In Folge 1 unseres Podcast STUDIO VEGAN beschäftigen sich Moderatorin Sanja und ihr Gast Aljosha Muttardi, mit neun der meistverbreiteten Vegan-Mythen. Aljosha bezieht nicht nur Stellung dazu, sondern liefert auch schlagkräftige Argumente, was Veganer*innen beim nächsten Familienfest der besorgten Mutter oder dem verständnislosen Onkel entgegnen können, wenn diese sie mit Vorurteilen über pflanzenbasierte Kost konfrontieren. Aljosha ist als Arzt und YouTuber geradezu die Idealbesetzung, um mit seinem reichen Erfahrungsschatz über vegane Ernährung dazu beizutragen, typischen Vorurteilen ohne erhobenen moralischen Zeigefinger zu begegnen.

Stelle deine Fragen an unsere Studiogäste – per Sprachnachricht oder Text-Message an:

WhatsApp: 01573 183 07 53

Weiterführende Links:

Mehr zur 1. Folge: https://bkk-provita.de/aktuelles/vegane-mythen-aljosha-muttardi-klaert-auf/

Kritische Nährstoffe bei veganer Ernährung:https://bkk-provita.de/leistungen/kritische-naehrstoffe-bei-veganer-ernaehrung

Bonusprogramme der BKK ProVita: https://bkk-provita.de/leistungen/bonusprogramm/

STUDIO VEGAN ist der Podcast der BKK ProVita, Deutschlands erste nachhaltige und veggiefreundliche Krankenkasse. Moderatorin Sanja gibt gemeinsam mit wechselnden Studiogästen Tipps und Hilfestellung für (junge) Menschen, die sich erstmalig vegan ernähren möchten. In den Podcast-Folgen geht es um die unterschiedlichsten Themen rund um gesunde vegane Ernährung.

  • Welche Vorteile hat pflanzenbasierte Kost?
  • Worauf sollten diejenigen achten, die mit veganer Ernährung beginnen möchten?
  • Was für Produkte gibt es für einen veganen Lifestyle?
  • Welche Lebensmittel sollten nicht fehlen?

Antworten liefert STUDIO VEGAN!

Transkript anzeigen

00: 00:00Vorspann: Zitate Aljosha:

00: „Wir sind nicht darauf angewiesen. Wir können mit einer vollwertigen pflanzlichen Ernährung sogar gesünder leben.“

00: „Dann bin ich vegan geworden, und alle kamen zu mir und ich habe mich wirklich deutlich gesünder ernährt.“

„Und alle haben zu mir gesagt: Aljoscha, ich mache mir Sorgen um deine Nährstoffe.“

00: 00:14Sprecher: Willkommen bei STUDIO VEGAN – ein Podcast der BKK Pro Vita, Deutschlands erste veggie-freundliche und nachhaltige Krankenkasse.

00: 00:23Sanja: Hi, ich bin Sanja und spreche heute mit Aljoscha Muttardi. Er ist Arzt, YouTuber und setzt sich seit Jahren mit Herzblut für eine gesunde pflanzenbasierte Ernährung ein. Hi Aljoscha, in dieser Episode geht es um die Mythen rund um die vegane Ernährung und wir haben Hörer:innen gefragt, welches Bild sie von Veganer:innen haben und Veganer:innen gefragt, was sie sich oft von ihrem Umfeld anhören müssen. Und das kam dabei raus:

00: 00:46Zitat: „Ich sagte ja, ich ernähre mich vegan. Und dass einen dann alle anschauen und sagen so: Oh, du bist dann jetzt auch eine von denen.“

00: 00:52Zitat: „Vegan verbinde ich eigentlich für mich persönlich eher mit Verzicht. Die große Frage, die ich dann sofort im Kopf habe: Was kann ich denn überhaupt noch essen? Kann ich dann nur noch Gras essen?“

00: 01:02Zitat: „Viele Lebensmittel sind verboten, in Anführungsstrichen. Das verbinde ich immer noch damit.“

00: 01:07Zitat: „Eine Mythe, die ich häufig höre, ist, dass es ja okay ist, dass die Tiere getötet oder gefangen gehalten werden, weil sie ja dafür gezüchtet werden.“

00: 01:16Zitat: „Mit Fleisch kochen ist viel einfacher.“

00: 01:17Zitat: „Wenn jetzt jemand zu Hause kocht, okay, muss man immer den einen Veganer berücksichtigen, einen extra Topf kochen für den. Das ist natürlich schon irgendwie nervig.“

00: 01:26Zitat: „Eine richtig gute Alternative für Butter habe ich noch nicht gefunden.“

00: 01:32Aljosha Muttardi: Okay, mein Blutdruck ist jetzt ein bisschen höher als vorher, aber ansonsten bin ich ready.

00: 01:37Sanja: Genau. Also, wenn wir jetzt so ein paar Mythen gesammelt haben. Kommt dir das bekannt vor?

00: 01:43Aljosha Muttardi: Also, ich würde fast sagen, dass ich alle von denen schon mal gehört habe. Ja, es kommt mir sehr bekannt vor. Und ich glaube ehrlich gesagt, das kommt jedem, der vegan lebt, bekannt vor. Weil, sobald man sich einmal damit beschäftigt, passiert genau das nämlich. Man wird genau mit diesen Aussagen konfrontiert – und zwar egal, wo auf der Welt man sich befindet.

00: 02:01Sanja: Ja, genau. Und darum soll es auch heute gehen, weil wir möchten unseren Hörer:innen so ein paar Tipps an die Hand geben, wie wir eben mit solchen Mythen oder Vorurteilen besser umgehen können. Und uns wird natürlich auch deine Meinung dazu interessieren. Und dann würde ich sagen, legen wir direkt mal los und fangen direkt mal mit dem Mythos an, den wir am häufigsten gehört haben. Und das ist Nummer eins: Vegan sein bedeutet Verzicht auf Lebensmittel, und die Vielfalt der Lebensmittel fällt weg. Was sagst du dazu?

00: 02:27Aljosha Muttardi: Also was ich dazu sage ist, es kommt darauf an, wen du fragst. Also am Anfang würde ich definitiv sagen, war das bei mir genauso. Ich habe auch gedacht, oh Gott, was mache ich denn jetzt? Was soll ich denn jetzt essen? Weil, ich meine, wir wissen alle: Menschen sind Gewohnheitstiere. Die meisten Menschen machen das jahrelang, wir haben unseren festen Ernährungsplan. Und die tierischen Lebensmittel sind ja meist das Zentrum unseres Essens. Und drumherum kommt dann so ein bisschen Gemüse und Beilagen. Und wenn man sich das jetzt vorstellt, dass das wegfällt, dann denkt man sich so: Ja, okay, da bleibt natürlich nicht viel übrig. Dann ist es ja weniger als vorher und von der Logik her: weniger gleich weniger vielfältig. Aber das stimmt überhaupt nicht! Also, ich habe die Küche komplett neu entdeckt für mich. Ich habe das immer so als Analogie wie eine Sprache lernen beschrieben. Am Anfang macht das alles überhaupt keinen Sinn, und dann fängt man an, einzelne Wörter zu verstehen. Dann kann man langsam Sätze formulieren und irgendwann hat man eine ganz neue Sprache und denkt boah, wie habe ich das vorher nur als so schwer empfunden, das ist eine so krasse Bereicherung. Meine Küche ist jetzt viel bunter, viel gesünder, viel ausgewogener und viel kreativer, als sie je vorher war. Weil ich mich aber auch zum ersten Mal im Leben wirklich mit Ernährung und Essen auseinandersetze. Insofern: Das ist immer eine Frage der Perspektive. Aber definitiv ist das einfach nur eine Umstellung und ein Umdenken. Und das kostet am Anfang ein kleines bisschen Überwindung. Aber die größte Hürde bauen wir uns da im Kopf, und danach, glaubt mir, es ist einfach die größte Bereicherung. Und ja.

00: 04:01Sanja: Es ist wahrscheinlich auch einfach eine Frage der Zeit.

00: 04:04Aljosha Muttardi: Genau. Ich meine, was man ja sagen muss ist, dass heutzutage, also als ich vegan geworden bin, gab es einfach wirklich, ich würde sagen, 1/10 an Angebot, was es jetzt gibt. Das heißt, der Umstieg wird jetzt einem ja noch viel, viel leichter gemacht, weil theoretisch gesehen können wir sogar fast alle Gerichte wie vorher weiter essen, nur in vegan. Das ging bei mir ja gar nicht so doll, weil ich tatsächlich noch nicht so viele Optionen hatte an veganen Alternativen. Insofern theoretisch gesehen nicht mal unbedingt. Also man könnte, wenn man ganz, ganz faul ist, auch einfach sagen: Ich kaufe mir jetzt einfach alle Produkte wie vorher in vegan und mach anstelle einfach vegane Schnitzel mit Pommes und veganer Mayo und veganer Ketchup. Und es gibt nichts, was es nicht gibt inzwischen in vegan. Insofern theoretisch noch nicht mal, aber wenn man das Ganze ein bisschen vielfältiger gestalten möchte und aus meiner Perspektive auch sollte, dann muss man sich ein bisschen damit auseinandersetzen. Aber das halte ich auch für sehr sinnvoll. Also wir haben in unserem Leben den Fokus auf so vielen Dingen und das ist eine Sache, die wir, glaube ich, sehr vernachlässigen und für selbstverständlich hinnehmen und die so einen immensen Einfluss auf so vieles hat, dass ich mir einfach wünsche, dass mehr Menschen sich damit auseinandersetzen.

00: 05:16Sanja: Super, dann kommen wir zur zweiten Frage. Das ist diesmal eine Frage von einer Hörerin, die selbst vegan ist. Ich spiele sie dir mal kurz ab.

00: 05:25Zitat: „Was mich zum Beispiel stört ist, dass meine Eltern nachvollziehen können, dass ich mich vegetarisch ernähren möchte, weil sie sagen: Okay, dass du nicht möchtest, dass ein Tier für dich stirbt, verstehen wir. Aber sie verstehen den Übergang zu vegan nicht, weil sie halt diese typischen Klischees halt sagen: Ja, eine Kuh gibt eh Milch, ein Huhn legt eh ein Ei. Warum sollten wir das dann nicht essen? Ähm, ja. Was kann ich Ihnen darauf antworten?“

00: 05:52Aljosha Muttardi: Also, ich verstehe das, weil das ist so interessant, dass Vegetarismus so völlig gesellschaftlich akzeptiert ist. Und bei Veganismus ist man dann auf einmal in so einem Extrem, der gar nicht mehr akzeptiert wird, wo man so denkt: Ah, du bist so extrem. Ich glaube, das Wichtigste, was wir machen können, ist Menschen informieren und informieren auf Augenhöhe. Nicht belehren, nicht herablassend werden, weil wir alle waren an einem Punkt, an dem wir das mal nicht wussten, an dem wir Fragen hatten. Also wir leben in einer Welt, die zentriert ist um tierische Produkte, die das alles völlig normalisiert hat. Und wir können nicht erwarten, wenn wir unser Leben lang uns genauso verhalten haben, dass wir auf einmal als unsere Gegenüber das auch sofort tun. Vor allem Eltern, die das meist noch viele Jahre länger gemacht haben. Und es kommt ja bei Eltern auch oft dazu, dass auf einmal das Kind kommt und einem erklären will, wie die Welt funktioniert. Ich glaube, das ist für Eltern auch manchmal ein bisschen schwierig. Insofern würde ich sagen, du erklärst deinen Eltern einfach, warum du das machst und dass dir da ganz viel daran liegt. Also dass du verstehst, dass es am Anfang so ein bisschen überfordernd wirken kann und auch extrem wirken kann, dass du das genauso empfunden hast. Immer schön ich Botschaften. Also ich empfinde das so, ich habe das so durchgemacht. Und dann einmal ganz, ganz klar erklären, warum sowohl Eier als auch Milch, also eigentlich alle tierischen Produkte mit unglaublich viel Leid und was will ich noch sagen, Leid und Schmerz für Tiere verbunden sind. Bei der Milchindustrie - das ist für mich eine, muss ich sagen, für mich eine der schlimmsten Industrien, ich meine, das ist immer schwierig, das auf eine Waagschale zu legen, aber wenn ich mir vorstelle, dass eine Mutterkuh, also der einzige Zweck einer Mutterkuh ist, Babys auf die Welt zu bringen, die ihr dann weggenommen werden, was an sich schon furchtbar ist. Und es gibt genügend Videos, wo man sieht, diesen mütterlichen Instinkt, da haben wir Menschen kein Patent drauf, das haben alle Lebewesen und das sind friedliche Lebewesen. Und dann wird ihnen ihr Kind weggenommen, weil wir die Milch von der Mutter wollen. Und diese Schwangerschaft, das ist ja auch kräftezehrend. Das heißt, erst bist du die ganze Zeit schwanger, du kannst dich - die meisten Kühe in der Massentierhaltung können sich nicht bewegen. Kein Zentimeter, werden nur gemästet, müssen Milch geben, werden abgepumpt, müssen Babys auf die Welt bringen. Die Babys werden weggenommen. Wenn diese Babys männlich sind, dann sind sie für die Milchindustrie nichts wert und werden sofort geschlachtet. Und wenn sie weiblich sind, dann werden sie dasselbe Schicksal erleiden wie die Mutter, nämlich zu einer Milchkuh, und müssen diesen Zyklus so oft durchlaufen, bis sie zusammenbrechen, weil sie einfach keine Kraft mehr haben. Weil ich, wie gesagt, aus Erfahrung sagen kann und weil ich selber im Krankenhaus mit sehr vielen Schwangeren gearbeitet habe, dass eine Schwangerschaft extrem kräftezehrend für den Körper ist und auch für die Psyche. Und dann werden sie umgebracht, weil sie für die Industrie nichts mehr wert sind. Und das ganze System, was ich gerade erklärt habe, lässt sich auf alles übertragen, denn diese Tiere haben einen Wert und der Wert ist einfach nur eine Währung, also Geld, nichts mehr. Diese Tiere haben keinen Wert als Lebewesen, sondern einen Wert als Gegenstand und als Lieferanten für irgendwas. Die sind am Ende des Tages nicht mehr wert als ein Schrank bei Ikea. Im Zweifel sogar weniger. Und so behandeln wir sie auch. In der Eier-Industrie ist es so, wir züchten Eier in einer...wir züchten Tiere in einer immensen Geschwindigkeit hoch, damit sie Eier legen. Viel zu viele Eier, was auch sehr kräftezehrend ist. Hühner wachsen so schnell, also so schnell gemästet, dass sie teilweise so große Brüste bekommen, dass sie nach vorne kippen. Die haben Osteoporose, also Knochenschwund. Dadurch brechen sie sich die Knochen und entzünden sich, die Schnäbel werden abge... die Schnäbel, die wahnsinnig viele Nervenenden enthalten, also sehr schmerzempfindlich sind, werden ohne Betäubung getrimmt, also quasi abgehackt - abgeschnitten, damit die Hühner sich nicht gegenseitig aufpicken oder nicht gegenseitig attackieren und verletzen, weil die alle durchdrehen, weil die keinen Platz haben, keine Möglichkeit haben, sich zu bewegen. Und ich bin mir sicher, ich bin mir sicher, dass die meisten Menschen das einfach nicht wissen. Und daraus kann man den Menschen keinen Strick drehen, keinen Vorwurf machen, weil wir wurden einfach nicht darüber aufgeklärt.

00: 10:03Sanja: Ich denke, wenn man das so seinen Eltern erklärt, das, was du jetzt gesagt hast, das ist so schlimm. Da kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass das jemand nicht versteht.

00: 10:10Aljosha Muttardi: Was noch mal wichtig ist: Erwarte nicht, dass deine Eltern das hören und sofort sagen: Alles klar, dann werden wir jetzt auch vegan und sei nicht enttäuscht, wenn das nicht passiert, bleib bei dir. Das ist wirklich ganz wichtig. Ich glaube, für die mentale Gesundheit ist es total wichtig, sich immer wieder dran zu erinnern. Ich kann mein eigenes Handeln beeinflussen. Ich kann versuchen, andere Menschen davon zu überzeugen, dass es sinnvoll ist, dass ihre Handlungen Konsequenzen haben. Aber wenn man sich da so darauf fokussiert und so erwartet, dass sie das sofort verstehen, damit macht man sich selber, aber auch anderen, keine Freude. Ich glaube, man darf schon da irgendwie mit einer gewissen Vehemenz dranbleiben und auch immer wieder aufklären und informieren. Aber wir müssen akzeptieren, dass wir Menschen nicht ändern können und zu nichts zwingen können.

00: 10:51Sanja: Ja, voll, ist es ja auch in so vielen anderen Lebensbereichen. Ich glaube, das ist ein echt guter Tipp. Okay, dann kommen wir mal zum Dritten Punkt. Vegane Ernährung und Umwelt sind ja immer ziemlich eng miteinander verstrickt. Und da kommen wir mal zu einem dritten Mythos, den wir vorbereitet haben: Soja zerstört den Regenwald.

00: 11:10Aljosha Muttardi: Ei ja, ja, ja, ja. Also ganz vorweg möchte ich einmal ganz kurz sagen, dass eine vegane Ernährung eine rein ethisch motivierte Bewegung ist. Es hat erst mal gar nichts mit Umwelt oder Gesundheit zu tun. Das sind sekundäre positive Effekte und die sind total wichtig und die kann man auch nutzen, um aufzuklären. Aber ich will das einfach nur mal klarstellen, weil das, glaube ich, wichtig zum Verständnis ist und auch, weil viele Argumente darauf basieren oder Gegenargumente vermeintlich darauf basieren. Wie auch dieses zum Beispiel. Denn das stimmt natürlich nicht, das Gegenteil ist der Fall. Also das wenigste Soja landet tatsächlich bei Veganer:innen. Ist auch ein bisschen absurd diese Rechnung, weil wenn wir uns mal überlegen, dass 1 % der Menschheit vegan lebt, dann auf einmal zu sagen, dass wir, diese 1 % Menschen, dafür verantwortlich sind, dass der Regenwald gerodet wird, ist ein bisschen absurd. Aber weit über 90 % des Sojas wird für die Massentierhaltung quasi benötigt und entsprechend auch der Regenwald deswegen gerodet, weil Soja einfach ein sehr guter Energielieferant ist bzw. Nährstoff-Protein-Lieferant ist und sehr, sehr, sehr schnell wächst. Und deswegen nutzen wir das für die Tiere in der Massentierhaltung. Insofern ist das Fleisch sozusagen der Hauptgrund, die Massentierhaltung generell. Ich mache es da dieses Wort nicht. Also die Landwirtschaft oder die Tierhaltung ist quasi die, äh, der Nummer-Eins-Faktor.

00: 12:40Sanja: Was wir auch ziemlich oft gehört haben, als wir jetzt herumgefragt haben, war der vierte Mythos: Veganismus ist ungesund und benötigt zwingend Supplements. Also wieso sollte man sich vegan ernähren, wenn man die eben unbedingt braucht? Ist das nicht unnatürlich?

00: 12:54Aljosha Muttardi: Da sind wir jetzt aber wieder, deswegen habe ich das eben gesagt. Es ist wieder so ein Argument, was darauf aufbaut. Eine vegane Bewegung hat erst mal nichts mit Gesundheit zu tun, sondern ist eine rein ethisch motivierte Bewegung. Und die Vorurteile, die wir da haben, halten dieses ganze System natürlich aufrecht. Und ja, das stimmt, wir müssen Supplements nehmen und das müssen wir als vegan lebende Menschen mehr als als mischköstlich lebende Menschen. Das liegt aber nicht daran, dass das eine schlechte, schlechtere Form der Ernährung ist. Im Gegenteil: eine gut geplante vollwertig pflanzliche Kost kann sehr, sehr, sehr gut, sehr sehr gesund sein und präventiv vielen - ich sag jetzt mal - Volkserkrankungen wie bestimmten Krebsformen und Herz-Kreislauferkrankungen gegenüber wirken, die übrigens die Nummer-Eins-Todesursache weltweit sind, also vor allem in dem globalen Norden, also in den westlichen Ländern. Und ich glaube, das liegt vor allem daran, das habe ich ja auch schon am Anfang einmal gesagt, dass wir in einer Welt leben, die zentriert ist um tierische Lebensmittel und alles darauf aufgebaut hat. Also den Tieren zum Beispiel werden in der Tierhaltung Nahrungsergänzungsmittel ins Essen sozusagen beigefügt, das heißt, wir können gar nicht mehr erwarten, dass die Tiere, so wie sie heute leben und wie sie gezüchtet werden, die Nährstoffe liefern. Das ist Quatsch. Aber wir wissen zum Beispiel, wenn ich jetzt eine Umfrage machen würde und sagen würde, was ist in Fleisch enthalten, was ist in Milch enthalten, dann würden alle sofort wissen okay, Milch, Kalzium, Fleisch, Protein und Eisen, Fisch, Omega drei, da kommt das kommt sofort rausgeschossen. Die Industrie hat es einfach geschafft, durch Werbung uns genau diese Nährstoffe zu nennen. Als ob das die essenziellen Nährstoffe sind, die wir brauchen. Wenn ich jetzt aber sage Was ist denn zum Beispiel in Brokkoli enthalten? Was ist denn zum Beispiel in Zwiebeln enthalten? Da kann niemand was zu sagen. Das interessiert aber auch niemanden, weil wir wollen ja das System aufrechterhalten. Und ich glaube auch, da ist es einfach wieder total wichtig aufzuklären. Ich hatte dieses, diese Sorgen sozusagen auch. Da muss man einfach nur sagen, es ist ganz wichtig, an Vitamin B12 zu denken, das ist nicht tierischen Ursprungs, sondern es kommt von Bakterien, die sozusagen B12 produzieren. Und das ist heutzutage einfach durch diese ganze Überdüngung und so gar nicht mehr denkbar. Das habe ich ja auch schon gesagt, ist aber auch eigentlich gar nicht relevant, ob wir jetzt ein Tier konsumieren und dieses Tier hat vorher alle Nährstoffe über ein Pulver bekommen und wir zusätzlich die Dinge aufnehmen, die wir vielleicht gar nicht wollen, die in tierischen Produkten enthalten sind. Denn das vergessen wir auch ganz gerne mal: tierische Produkte enthalten auch Dinge, die vielleicht nicht so gesundheitsförderlich sind. Natürlich und auch nicht natürlich. Oh Gott, dieses Natürlich ist sowieso eins der Dinge, die mich am allermeisten stören, tatsächlich. Ich weiß nicht, wir haben es irgendwie geschafft, oder auch die Industrie hat irgendwie geschafft, dieses natürlich als etwas automatisch Gutes darzustellen, etwas Erstrebenswertes. Natürlich bedeutet nicht vom Menschen geschaffen. Das bedeutet eigentlich Alles, was wir machen und geschaffen haben, ist nicht natürlich. Es gibt super viele Dinge, die natürlich sind, die schädlich für uns sind, die giftig für uns sind. Es gibt super viele Dinge, die unnatürlich sind, die sehr, sehr gut und sehr sinnvoll sind: das Internet, unser Handy, Heizungen, Klamotten, Medikamente - also das ist alles unnatürlich und trotzdem ist es gut und sinnvoll, dass wir das haben. Und es ist auch meist sogar deutlich besser erforscht. Deswegen ich weiß immer nicht was. Das ist halt einfach so ein Reflex, der meist rauskommt. Und auch da gilt es einfach: Informiert euch! Es ist überhaupt kein Problem, im Gegenteil, es kann sehr viele gesundheitliche Vorteile haben. Und was ich auch nochmal - ich habe gerade sehr einen Redeschwall, I‘m Sorry! Aber eine Sache, die ich auch noch total spannend finde, die mir immer so einfällt, ist: Ich habe mein Leben lang in der Studentenzeit nur Mist gegessen. Also ich habe Fertigpizza gegessen. Ich habe mir dann Maggi drauf geknallt, ich habe den billigsten Käse, das billigste Fleisch gekauft. Ich habe super wenig Gemüse gegessen, sehr viel Süßigkeiten – und kein Mensch ist jemals auf die Idee gekommen, zu mir zu kommen und zu sagen: Aljoscha, denk mal an deine Nährstoffe. Dann bin ich vegan geworden, und alle kamen zu mir und ich habe mich wirklich deutlich gesünder ernährt. Und alle kamen zu mir, haben mir gesagt: „Scheiße, ich mach mir Sorgen um deine Nährstoffe“, und ich so „LOL“.

00: 17:15Sanja: LOL, war vorher auch nicht so!

00: 17:17Aljosha Muttardi: Ja.

00: 17:18Sanja: Ja ja, das ist halt immer so ein Ding. Wenn man dann anfängt, dann kommen immer die Leute, die sich plötzlich Sorgen machen. Wie ist es denn bei dir? Nimmst du Vitamin B12, also nimmst du Supplements?

00: 17:30Aljosha Muttardi: Ja, ich nehme Supplements, die sind tatsächlich so ein Kombi-Präparat, wo auch so ein bisschen Spurenelemente und so mit drin sind, einfach für so einen Basis-Bedarf für den Tag. Das würde ich aber auch nehmen, wenn ich mischköstlich leben würde. Vitamin D muss man am besten mal checken. Also ich bin immer ein Freund davon, vorher einmal die Werte checken zu lassen, um zu gucken, wo man steht. Und Omega drei nehme ich tatsächlich auch.

00: 17:51Sanja: Okay, das ist ja schon mal ein kleiner Hint für die Zuhörer:innen. Dann machen wir mal weiter mit dem fünften Mythos. Da haben wir noch eine Nachricht von einer Hörerin bekommen, die vegan ist. Die lese ich dir einmal vor. Ein typischer Satz, den ich oft höre: Der Mensch ist dazu gemacht, Fleisch zu essen, weil unsere Vorfahren auch Fleisch gegessen haben. Deshalb ist es unnatürlich, darauf zu verzichten. Was kann ich dazu sagen? Da geht dein Puls wahrscheinlich jetzt wieder hoch.

00: 18:15Aljosha Muttardi: Das ist vor allem wieder dieses Natürliche. Das nennt sich tatsächlich naturalistischer Fehlschluss. Und das bedeutet, dass wir eben natürlich gleich automatisch gut werden und dass das einfach nicht stimmt. Und ich weiß nicht, warum wir dazu neigen, unseren jetzigen Lebensstandard auf dem eines Höhlenmenschen zu basieren und zu sagen: Hey, guck mal, aber Höhlenmenschen haben das früher auch schon so gemacht. Ja, und wir? Also, ich meine, ich bin echt froh, dass ich mich weiterentwickelt habe und kein Höhlenmensch mehr bin mit einer Lebenserwartung von - keine Ahnung - 25 Jahren, der irgendwie noch jagen gehen muss und der überhaupt keine Möglichkeit hat mir irgendwas….also ich – weißt, was ich meine? Ich kann nicht ganz verstehen - weder das Argument, noch "das wir haben das immer schon so gemacht" ist für mich ein Argument. Wir haben auch schon immer gemordet, wir haben immer schon vergewaltigt. Wir haben immer schon grauenhafte Dinge getan, wie Krieg geführt.

00: 19:05Sanja: Das ist nicht das mal so weitermachen, richtig.

00: 19:10Aljosha Muttardi: Wir haben ja so was wie eine Moral, um eben Dinge abzuwägen. Wenn ich auf die Straße gehe und einfach irgendjemanden schlage, dann würde auch jeder sagen, das macht man nicht. Und genau dasselbe gilt auch für Tiere. Wenn wir diese Tiere schlagen und denen das wehtut und die Schmerz empfinden und wir wissen, dass wir nicht darauf angewiesen sind, dann ist das doch völliger Quatsch, das weiter zu tun und da auf irgendwas zu basieren, um uns besser zu fühlen. Und so ein Scheinargument wie „Ja, aber wir haben das immer schon so gemacht“ - da würde jeder sagen: Bist du noch ganz sauber in der Birne, Aljosha?

00: 19:43Sanja: Mit ist jetzt auch gerade eingefallen, du hast ja eben schon mal dieses diesen Vergleich gezogen mit dem Smartphone, das ja auch so eine Sache, das benutzen wir jetzt auch, hat der Höhlenmensch früher nicht benutzt, aber das hinterfragt halt niemand.

00: 19:57Aljosha Muttardi: Also ich verstehe das auch. Der Impuls kommt ja nicht daher, weil die Menschen sagen wollen, ich möchte das gerade widerlegen, sondern: ich möchte meine Welt aufrechterhalten. Ich möchte mich eigentlich rechtfertigen und ich möchte gerne so weitermachen wie vorher, weil natürlich zwingt einen das in eine prekäre Situation, weil das nennt sich ja kognitive Dissonanz, das heißt unsere Handlungen sind nicht im Einklang mit unseren eigenen moralischen Werten. Und wenn wir damit konfrontiert werden, dann ist das erst mal ein super unbequemes Gefühl, weil wir wissen: Shit, das nervt mich jetzt. Und dann suchen wir sofort nach Rechtfertigungen. Und es kommen halt interessanterweise immer dieselben. Und wenn man sich dann Gedanken über diese Rechtfertigung macht, die ich übrigens auch fast alle früher benutzt habe für mich, als ich noch Fleisch gegessen habe, dann merkt man, dass die eigentlich nicht so wirklich Sinn ergeben.

00: 20:47Sanja: Dann würde ich sagen: machen wir mal mit dem sechsten Mythos weiter: Wer die vegane Ernährung übertreibt, wird zu dünn.

00: 20:55Aljosha Muttardi: Wie war das nochmal? Wer die vegane Ernährung übertreibt, wird zu dünn?

00: 20:59Sanja: Genau das ist ein Mythos, den wir auch von Hörer:innen bekommen haben.

00: 21:04Aljosha Muttardi: Also erst mal würd ich gerne wissen, wie man eine vegane Ernährung übertreibt. Also das wäre meine Frage jetzt. Was bedeutet denn man übertreibt die vegane Ernährung? Man isst so viel vegane Alternativ-Produkte? Ich weiß, was sie meinen. Sie meint wahrscheinlich, wenn man ganz radikal vegan ist und wirklich gar keine tierischen Produkte mehr isst, die einzigen Nährstoff-Lieferanten unserer Lebensmittel.

00: 21:26Sanja: Ich glaube, es geht so ein bisschen in diese Richtung. Wenn man übertreibt, dann bedeutet das, man hat quasi gar nichts mehr, was man essen kann, weil viele sich auch fragen, was essen denn Veganer:innen? Und dann wird man natürlich dünn.

00: 21:40Aljosha: Was kann ich denn noch essen? Ist doch das Äquivalent zu: Was darf man denn heute überhaupt noch sagen, oder?

00: 21:46Sanja: Ja, ja, es stimmt ein bisschen.

00: 21:52Aljosha Muttardi: Ich verstehe das voll. Der Impuls kommt, glaube ich, daher, dass man sich nicht vorstellen kann, dass man eine wahnsinnige Vielfalt an Essen hat und dass es eine Riesenbereicherung sein kann. Und mein Teller sah noch nie so bunt aus und so toll und so lecker wie bisher. Ich genieße das natürlich aber auch viel mehr, weil ich weiß, dass ich damit...ich finde den Gedanken irgendwie schön, dass ich mit so in Anführungszeichen wenig Arbeit ein so furchtbares System nicht weiter unterstütze. Und das macht mir irgendwie zusätzlich so ein bisschen Freude beim Essen. Insofern: Nee, das ist natürlich Quatsch. Also es ist immer wichtig, dass ihr auf eure Kalorien achtet, das bedeutet, ihr müsst ein Mindestmaß an Kalorien haben, um euer Gewicht zu halten. Ein Kalorien-Defizit - also quasi ihr verbrennt mehr, als dass ihr aufnehmt - führt immer zum Gewichtsverlust und umgekehrt. Und wenn man das nicht einhält, und das ist völlig egal, ob man pflanzliche oder tierische Lebensmittel isst, und es gibt auch genügend hochkalorische pflanzliche Lebensmittel, die fettreich sind, die gesund sind, dass man sich da eigentlich überhaupt keine Sorgen machen muss.

00: 23:02Sanja: Wie lange bist du denn eigentlich schon vegan?

00: 23:04Aljosha Muttardi: Seit sechs Jahren jetzt inzwischen. Und ich mache ja auch viel Sport. Ich habe zugenommen. Also bei mir läuft es.

00: 23:12Sanja: Und bist du dünn geworden?

00: 23:13Aljosha Muttardi: Nein.

00: 23:15Sanja: Da haben wir es ja, da haben wir die Antwort. Okay, dann kommen wir mal zum siebten Mythos. Es geht so ein bisschen in eine ähnliche Richtung. Um Muskeln aufzubauen, brauchen wir tierisches Protein.

00: 23:26Aljosha Muttardi: Ja, das mache ich jetzt kurz. Das stimmt einfach auch nicht, denn alle primären Proteine, also Aminosäuren, kommen von Pflanzen und wir können uns das komplette Aminosäure-Spektrum auch über Pflanzen abdecken. Punkt.

00: 23:40Sanja: Du hast ja auch gerade schon gesagt, dass es bei dir selbst auch so war, dass du ja auch viel Sport machst.

00: 23:45Aljosha Muttardi: Es gibt genügend Leistungssportler:innen und es ist auch einfach so, es stimmt einfach nicht. Also ja, das stimmt einfach nicht.

00: 23:54Sanja: Damit sind wir ja schnell durch. Okay, dann kommen wir zum nächsten Beitrag, den wir auch von einer Hörerin zugeschickt bekommen habe. Sie ist selbst nicht vegan und das spiele ich dir jetzt mal ab.

00: 24:07Zitat (achter Mythos): „Bei vegan fällt mir vor allen Dingen negativ auf, dass die Dogmatiker noch nicht mal auf ein Sofa gehen, das aus Leder ist, keine Lederschuhe tragen und all diese Exzesse, die es nach sich zieht, sind absolut für mich nicht statthaft.“

00: 24:29Sanja: Was sagst du dazu?

00: 24:31Aljosha Muttardi: Ähm. Ich weiß nicht, wo dieser Impuls genau herkommt. Das ist ja fast anekdotisch. Ich kann ja nicht pauschal sagen, dass Veganer:innen sich nicht mal auf ein Ledersofa setzen. Das ist ja einfach eine Pauschalaussage, die aus der Luft gegriffen ist. Das andere, was sie sagt, ist etwas, was man relativ häufig hört, dass Veganismus mit Religion gleichgesetzt wird. Und das ist natürlich völliger Quatsch. Religion ist ein Glaube, etwas nicht Greifbares, das nicht belegbar ist. Veganismus basiert auf Fakten. Punkt. Bedeutet: Alles was wir sagen, ist: Tiere empfinden Schmerz. Tiere leiden. Tiere müssen nicht sterben. Wir sind nicht darauf angewiesen. Wir können mit einer vollwertigen pflanzlichen Ernährung sogar gesünder leben. Und basierend auf den Tatsachen möchten wir das System nicht länger unterstützen. Was diese Menschen aber, glaube ich, oft meinen, ist mit einer religiösen Vehemenz das zu verteidigen. Also dass wir quasi fast schon, wie nennt sich das denn?

00: 25:37Sanja: Dieses andere Menschen bekehre?.

00: 25:39Aljosha Muttardi: Ja, militant und aggressiv und fanatisch, verbohrt. Und ich weiß, was sie meint, weil ich selber so war. Und ich kenne das. Und ich weiß, dass es auch durchaus Menschen gibt, die so sind. Die gibt es auf beiden Seiten, muss man sagen, immer. Was man aber dazu sagen muss, und was man nicht vergessen darf, ist, dadurch, dass ich beide Seiten kenne, ich weiß, wo dieser Impuls herkommt. Wenn wir uns damit anfangen auseinanderzusetzen - und ich kann immer nur wieder zurückdenken, wie das bei mir war - ich habe mir diese Videos angeguckt. Ich habe gesehen, wie diese Tiere geschlachtet werden, geschlagen werden, wie sie schreien, wie sie wegrennen, wie sie Angst davor haben, weil sie wissen, dass sie gleich sterben. Und es geht nicht nur um das Sterben selbst, sondern es geht um das ganze Leben. Diese Tiere leben nur für diesen einen Zweck, um getötet zu werden, um fünf Minuten Mittagessen oder Abendessen zu rechtfertigen. Für mehr leben diese Tiere nicht. Und wenn man sich diese Videos anguckt und immer wieder anguckt, dann macht einen das so fertig und so traurig. Und wenn man dann versteht, wir haben eine Wahl und wenn man auch noch sieht, was das mit der Umwelt macht und mit unserer Gesundheit macht, dann wühlt einen das auf und dann möchte man gerne Menschen darauf hinweisen. Das ist so, als ob ich auf der Straße sehe, wie jemand einen Hund schlägt. Und ich sage zu anderen Menschen: Hey, guck mal, da wird ein Hund geschlagen, lass uns mal da hingehen. Und wenn diese Person dann sagt: Nerv nicht, sei nicht so militant, dann macht einen das wütend, weil man denkt: Wieso denn nicht? Ich sage dir doch gerade, dass da Gewalt passiert und dass wir es vermeiden können. Es ist natürlich ein bisschen implizit, also es ist ja nicht so, dass diese Gewalt explizit ist, sondern wir sehen das nicht. Also wir sind jetzt nicht als Einzelperson für das Leid der Welt verantwortlich, aber wir sind eben trotzdem ein Teil des Problems und können ein Teil der Lösung sein, weil wir immer noch in einem System leben, was nach Angebot und Nachfrage funktioniert. Das ist der Grund, warum vegane Lebensmittel so explodieren, also alternative Produkte. Und deswegen: ich kann das sehr gut verstehen, dass man so ist. Ich finde es auch oft nicht unbedingt sehr sinnvoll. Aber wir brauchen eben auch die Menschen, die laut sind und auf die Straße gehen und darauf hinweisen. Das ist unbequem und man hört es nicht gerne. Aber es ist leider einfach die Realität. Und für die Tiere ändert sich rein gar nichts. Und diese Frau kann sich jetzt...

00: 27:55Sanja: Irgendjemand muss quasi so den Mund aufmachen.

00: 27:57Aljosha Muttardi: Genau. Und natürlich ist es angenehmer, wenn man den Mund nett aufmacht und wenn man nett darauf hinweist. Und das verstehe ich auch. Aber man muss sich trotzdem auch seiner eigenen Privilegien bewusst sein, wie privilegiert man ist. Wenn wir uns mal vorstellen, es kommt irgendwann mal so eine Alien-Spezies auf unseren Planeten und die ist uns in allen Belangen überlegen und sie spricht nicht unsere Sprache. Das Beispiel kennst du bestimmt. Und wir werden unterdrückt. Und diese Aliens machen mit uns genau das, was wir jetzt mit Tieren machen. Wie privilegiert muss man sein, um zu sagen: „Ja, aber ich habe ehrlich gesagt jetzt keinen Bock, da jemanden zu unterstützen, weil er schmeckt einfach zu gut“, oder „die nervt mich, die ist ein bisschen zu radikal in ihrer Nächstenliebe, ein bisschen zu extrem in ihrer Konsequenz, was die Ausbeutung von Tieren angeht.“ Das ist es ja am Ende.

00: 28:44Sanja: Das ist eigentlich auch ein ganz gutes Beispiel, was man vielleicht dann anbringen kann, wenn jemand einen dafür kritisiert.

00: 28:49Aljosha Muttardi: Genau, genau.

00: 28:51

Sanja: Okay, dann gehen wir mal zum neunten Mythos weiter. Ganz zu Anfang hatten wir den Punkt schon mal in der Memo, die ich dir abgespielt habe. Und zwar geht es darum: Veganes Essen kochen und einkaufen ist viel zu aufwändig. Wie ist denn da deine Erfahrung jetzt nach sechs Jahren?

00: 29:08Aljosha Muttardi: Auch Erfahrungswerte. Das ist am Anfang überfordernd und ich gebe zu, man muss sich am Anfang mehr damit auseinandersetzen. Am Anfang ist es immer mehr Arbeit, das muss ich zugeben, weil klar - wir müssen aus gewohnten Mustern ausbrechen. Wir haben es gelernt, über Jahre uns auf eine bestimmte Art und Weise zu ernähren. Und auf einmal müssten wir jetzt umdenken. Und das zwingt uns natürlich, uns wieder damit auseinanderzusetzen und mal auf die Lebensmittel zu gucken. Was ist denn da überhaupt drin? Ist da jetzt ein Ei drin? Ist da Pulver drin? Ist da Gelatine drin? Und ja, das ist am Anfang natürlich nervig und natürlich - also, was heißt nervig? Ich fand es nie nervig. Ehrlich gesagt, ich fand es eher bereichernd, weil ich zum ersten Mal gemerkt habe: Oh Gott, was stecke ich eigentlich alles in mich rein? Aber ich verstehe das. Es ist aufwändiger. Genau. Aber das ist eine Frage der Gewohnheit. Wenn man das ein paar Wochen gemacht hat, dann ist das das Normalste der Welt und kostet einen keine Sekunden mehr, weil man es auch einfach weiß. Irgendwann weiß man es ja einfach. Ich kann wieder die Referenz zu Sprache lernen sagen. Wenn man die Sprache einmal drauf hat, dann ist das keine Mehrarbeit mehr.

00: 30:21Sanja: Das ist echt ein gutes Beispiel, das merke ich mir. Okay, dann kommen wir schon auch zum Abschluss der ersten Episode und da habe ich ein Zitat von meiner Oma mitgebracht. Ich habe sie nämlich auch gefragt, was sie denn für Vorurteile oder Mythen über Veganer:innen kennt. Und er hat meine Oma gesagt Ich habe nichts gegen die Veganer. Ich glaube, dass sie sich vernünftig ernähren, aber man darf es nicht übertreiben. Wir hatten ja eben schon mal dieses nicht übertreiben und damit ist wahrscheinlich auch dieses gemeint, so andere zu belehren. Was sagst du denn so als Fazit dazu? Also dass man alles in einem gewissen Maße machen soll, oder wie ist deine Meinung?

00: 30:57Sanja: Also meine Meinung ist, dass Veganer:innen ja nichts anderes versuchen, als auf Gewalt hinzuweisen, auf ein brutales, destruktives System, was uns nicht selbst betrifft als Menschen, sondern was leidensfähige unschuldige Lebewesen betrifft. Die nie irgendwas dazu beigetragen haben, außer in die falsche Spezies geboren zu werden, zum falschen Zeitpunkt. Und ich finde es ein bisschen schwierig, wenn man in dem Zusammenhang sagt, man übertreibt. Man ist konsequent. Das Wort würde ich benutzen. Also konsequentes Verhalten, ja. Und ich glaube, was ja damit gemeint ist, bzw. was ich verstehe, ist, dass bei allem, was wir so betrachten, es immer ein Gefälle gibt bzw. eine - wie nenne ich das jetzt am besten - Differenz zwischen dem Ist-Zustand und dem eventuellen Soll-Zustand. Wenn ich zum Beispiel sage: Ich bin ein Mischköstler, der sich noch nie mit dem Thema vegan auseinandergesetzt hat. Für diesen Menschen ist vegan ja total extrem und total radikal. Ein Mensch, der zum Beispiel - nehmen wir mal eine Nonne versus einer Prostituierten. Das ist super extrem die Differenz. Wenn ich also jetzt einer der Personen sage: Ihr müsst euch, ihr müsst auf die andere Seite gehen, dann erscheint das erstmal als ein Riesen-Riesen-Riesenschritt und viel zu extrem. Und so ist es, glaube ich, da auch. Also es ist einfach erst mal… - es erschlägt uns, und wir haben das Gefühl, Essen ist ein integraler Bestandteil meines Alltags. Ich esse dreimal am Tag, mindestens. Ich müsste, wenn ich mir vorstelle, sofort vegan leben zu müssen, meinen kompletten Kühlschrank umräumen. Und was ist mit meinen Klamotten und was ist damit? Was ist mit den Nährstoffen? Dann kommen die ganzen Fragen auf und dann erscheint einem das einfach wahnsinnig viel. Und dann ist es leichter für den Kopf, das erst mal so ein bisschen runterzuschrauben und zu sagen: You know what … Ich finde es okay, solange man nicht übertreibt. Weil dann hat man sich selber so ein bisschen eingeredet: Alles in Maßen. Und prinzipiell ist der Spruch „alles in Maßen“ auch gar nicht so schlecht, wenn wir ihn nicht als Rechtfertigung benutzen. Ich bin ja der Meinung, jeder Regen fängt mit einem Tropfen an, und solange wir in Bewegung bleiben und dranbleiben, ist es gut und ich bin dankbar dafür. Ich kann niemanden zwingen. Jeder Mensch, der diesen Podcast hört, kann auflegen, kann ihn schließen und sich ein Schnitzel kaufen. Und das muss ich akzeptieren. Die Tiere müssen das auch akzeptieren, die haben kein Mitspracherecht. Und auch das muss ich akzeptieren. Insofern: Ich verstehe deine Oma, aber ich würde sagen, wenn es darum geht, auf Gewalt und gewaltvolle Systeme hinzuweisen, hat das nie etwas mit radikal zu tun.

00: 33:29Sanja: Das war unsere erste Episode mit dir als Gast. Vielen Dank, dass du dabei warst. Es war echt sehr interessant und ich glaube, für die Hörer:innen auch sehr hilfreich.

00: 33:36Aljosha Muttardi: Ja, vielen Dank für die Einladung. Ich fand es auch schön und ich rede ja, wie du weißt, sehr gerne und sehr viel auch über dieses Thema. Und ich freue mich natürlich auch, wenn ihr meine Arbeit unterstützen wollt: Dann guckt gerne bei meinem Instagram-Kanal vorbei. Aljosha heiße ich, mit „sh“.

00: 33:50Sanja: Das war's mit unserer ersten Episode. In den nächsten Episoden erfahrt ihr alles rund um eine gesunde pflanzliche Ernährung. Also bleib dran und abonniert den Podcast!

00: 33:59Sprecher: Das war STUDIO VEGAN – ein Podcast der BKK ProVita, Deutschlands erste veggie-freundliche und nachhaltige Krankenkasse.

Kommentare (1)

Lacroix

Danke für die informative Folge. Wichtig waere noch zu sagen, dass nicht jeder Veganer werden muss, aber das es gut ist, das diese Bewegung endlich Aufmerksamkeit bekommt durch das Internet. So kann sich jeder informieren, welchen Stand die Forschung hat zu gesünder Ernährung und welche Mythen leider immer noch propagiert werden. Ein Schock den ich jetzt wieder hatte: Die Fische kriegen ihr Omega 3 aus Algen, die koennen das auch nicht selbst produzieren. #mindblowing

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.